Full text: Die Welt im Spiegel der Nationalliteratur ([5], [Schülerbd.])

331 
der das feuchte Erdreich noch gleicherweise von der innern 
Glut unseres Planeten wie von den Sonnenstrahlen erhitzt wurde, 
entwickelte sich eine Pflanzenwelt, die in ihrer Üppigkeit und 
Größe bei weitem alles übertraf, was jetzt die Flora uns zeigt. 
Ga wuchsen riesige Farnkräuter mit dicken, 15—16 Meter hohen 
Stämmen und zierlich zerteiltem Laubwerk. Da sproßten baum¬ 
hohe Bärlapparten und scharfe rohrähnliche Kalmusstengel von 
der Höhe und Stärke unserer Obstbäume, und zwar an Orten, 
wo jetzt nur noch Torfmoos und Teichrohr und Binsen wachsen. 
Goch in den Revolutionen1) des Erdballes wurde jenes Riesen- 
geschlecht von Pflanzen dem Untergange geweiht, und auch dann 
noch, als schon die jetzige Gestalt der Dinge immer mehr Raum 
gewann, mochte noch mancher baumreiche Wald verschüttet 
werden und aus dem Moder untergegangener Geschlechter manch 
heues hervorblühen. So entstanden mächtige Pflanzenlager; der 
Gruck von oben und die Wärme von unten wirkten zusammen, 
diese Holzmassen zu verkohlen. An vielen Steinkohlen, welche 
dem bloßen Auge nur wie ein dichter, glänzender Stein er¬ 
scheinen, hat das Mikroskop noch den zelligen Bau der Pflanzen 
entdeckt, und hier und da lagert in der schwarzen Masse noch 
ein deutlich zu erkennender Baumstamm, und besonders häufig 
finden sich Abdrücke von Farnkräutern. 
Wieviel Reichtum ruht noch in der Erde, wie viele Wälder 
stecken schon in einem einzigen solchen Steinkohlenlager! Wie 
lange sind schon die englischen Kohlenbergwerke ausgebeutet 
worden! Aber je weiter man gräbt, desto unerschöpflicher scheint 
der Vorrat zu sein. Auch Deutschland hat reiche Kohlenlager, 
namentlich im Königreich Sachsen, in Schlesien, besonders aber 
ün Saarbrückenschen Gebiet, dessen Kohlen an Güte den eng¬ 
lischen nahe kommen. Denn die Beschaffenheit der Steinkohle 
ist sehr verschieden, je nachdem Schwefel und andere Mineralien 
dem Kohlenstoffe beigemischt sind. Je reiner, desto wertvoller 
ist die Kohle. 
Doch nicht genug, daß der Mensch durch die Steinkohle 
seine Speisen brät und kocht, er weiß auch den rnßigen, 
schmutzigen Rauch zu benutzen, der eine Menge von Öl und 
Leuchtgas in sich birgt. Diesen flüchtigen, rohen Gesellen fängt 
man auf und zwingt ihn, das abzuliefern, was er in alle Lüfte 
mit fortzuführen gedachte, und es fließt dann aus den eisernen 
Röhren, worin man ihn gefangen hielt, der dicke, schwere Teer, 
jmd es strömt auch das leichtluftige Gas heraus, das in reinster, 
hellster Flamme die Nächte auf Erden erleuchtet. In den Sälen, 
auf Flur und Treppe der Paläste, wie in den Straßenlaternen 
hud im niederen Zimmer des Metallarbeiters erglänzen die Gas- 
*) Revolution = Umwälzung.
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.