Full text: [Obere Stufe, [Schülerbd.]] (Obere Stufe, [Schülerbd.])

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eine schöne Rede an die Gäste, worin er diesen sagte, er habe hier 
die Ehre, ihnen eine Frucht darzubieten, wozu er den Samen von 
seinem Freunde, dem berühmten Drake, mit der Versicherung erhalten 
hätte, daß ihr Anbau für England höchst wichtig werden könne. Die 
Herren kosteten nun die Frucht, die in Butter gebacken und mit 
Zucker und Zimmet bestreut war; aber sie schmeckte abscheulich. Darauf 
urtheilten sie Alle, die Frucht könne wohl für Amerika gut sein, 
aber in England werde sie nicht reif. Da ließ denn der Gutsherr 
einige Zeit nachher die Kartoffelsträuche herausreißen und wollte sie 
wegwerfen lassen. Aber eines Morgens im Herbste ging er durch 
seinen Garten und sahe in der Asche eines Feuers, das sich der 
Gärtner angemacht hatte, schwarze, runde Knollen liegen; er zertrat 
einen, und stehe, der duftete so lieblich, daß er den Gärtner fragte, 
was das für Knollen wären. Dieser sagte, daß sie unten an der 
Wurzel des fremden Gewächses gehangen hätten. Nun ging dew 
Herrn erst das rechte Licht auf. Er ließ die Knollen sammeln, zubk 
reiten und lud dann seine Freunde wieder zu Gaste. Diesen schmeckte 
das Mahl vortrefflich, und sie wurden inne, wie sehr der Mensch 
irren kann, wenn er nur nach dem urtheilt, was an der Oberfläche ist. 
Wir kehren indeß zu unserer Kartoffelblüthe zurück. Wenn ihr 
die einzelnen Theile derselben genauer ansehet, so werdet ihr finden, 
daß die Theile des Kelches, der Blumenkrone und die Staubbeutel 
in gleicher Anzahl vorhanden sind. Fünf am Grunde verwachsene 
Blätter bilden den Kelch, fünf ebenfalls unten mit einander verbun¬ 
dene die Blumenkrone, und fünf haben sich zu Staubfäden gestaltet. 
Die Kartoffel habt ihr nun schon manches Jahr genossen, und 
viele Menschen hat sie vielleicht fast allein erhalten. Doch setzen wir 
uns gedankenlos so oft zu Tische; doch lassen wir unö so oft mun¬ 
den Speis' und Trank, ohne daß wir uns die Frage vorlegen: Wie 
kommt es denn eigentlich, du guter Gott, daß diese Knollen im 
Stande sind, uns zu ernähren? Solch' eine Frage bei Tisch ist auch 
ein stilles Gebet, weil es zum Vater führt; aber Klätschereien über 
den Nächsten führen nicht dahin, und wenn ihr vorher auch noch so 
viel gebetet haben möget. Wenn ihr auf eurem Teller eine Kartoffel 
zerschneidet, so bemerket ihr an eurem Messer eine mehlartige Masse. 
Diese nennt man das Stärkemehl. Wenn die Frau Mutter ein¬ 
mal die rohen Kartoffeln zerreibt, um daraus die Kartoffelklöße zu 
fertigen, und ihr euch dazugesellt aus Neugierde und Ungeduld, daß 
sie nicht gleich fertig sind, sowie der Brei in die Schüssel fällt, so 
könntet ihr dabei schon etwas lernen, was besser wäre, als daß ihr 
gedankenlos in den Topf gucktet. Ist nämlich aus dem Brei der Saft 
ausgedrückt, so senket sich in der Flüssigkeit eine Mehlart von glän- 
zendem Ansehen rasch zu Boden. Das ist die Stärke in reiner Gestalt. 
Nun besteht die Kartoffel auch noch aus einem faserigen Theil, eben
	        
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