Full text: Ergänzungsband für Mittelschulen (Teil 4, [Schülerbd.])

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entbehrt nicht des Reizes gefälliger Gliederung, wohlberechneter 
Umrisse. 
Wenn man hier wandelt, so glaubt man nicht, auf einem Markte 
und unter Waren zu wandeln. Denn das Schöne gehört nicht bloß 
dem, der es bezahlt; es erfreut jeden, der vorübergeht, und wo die 
Dinge, mit welchen der Mensch sich umgibt, den herzerfreuenden 
Stempel der Schönheit tragen, da haben alle an allem teil, und es 
verwirklicht sich im besten Sinne das Ideal der Gütergemeinschaft. 
Wir möchten wohl auch den Salbenmarkt durchschreiten und den 
Kleidermarkt, wo mit der heimischen Tracht Moden des Auslandes, 
megarische Mäntel, thessalische Hüte, amykläische und sikyonische Schuhe 
Liebhaber und Abnehmer finden. Und am liebsten wohl möchten wir 
die Bücherrollen mustern, die dort meist in zylindrisch geformten Be— 
hältern zur Schau stehn. Gern möchten wir die breiten Blätter des 
beschriebenen Papyros entrollen, die um runde, an den beiden Enden 
mit elfenbeinernen oder metallenen Knöpfen verzierte Stäbe gewickelt 
und von roten oder gelben Pergamentbändern zusammengehalten sind. 
Aber der Lärm der Ausrufer, das Getümmel des Marktes ist 
zu groß, als daß wir uns vertiefen könnten in die Bücherweisheit 
der Athener. 
Ein Kohlenbrenner aus Acharnä und ein Bandkrämer aus Hali— 
mos wetteifern da soeben, im Vorüberwandeln ihre Ware anzu— 
preisen. Ihnen gesellt sich ein dritter, welcher das Athenervolk auf⸗ 
fordert, seine vortrefflichen Lampendochte aus Binsenmark zu kaufen. 
Bald aber tönt es von allen Seiten: „Kauft Ol!“ „Kauft Essig!“ 
„Kauft Scheiter!“ und dazwischen verkünden öffentliche Ausrufer, daß 
diese und jene Schiffe im Hafen angekommen, daß diese und jene 
Waren ausgeschifft worden, oder machen den Preis bekannt, welcher 
für die Entdeckung des Täters eines Diebstahls oder für die Wieder— 
bringung eines entlaufenen Sklaven ausgesetzt worden ist. 
Was man im Gedränge des Marktes vermißt, sind die Frauen. 
Kein Athener sendet seine Gattin oder Tochter auf den Markt. Er 
sendet seinen Sklaven, oder er — geht selbst und besorgt in eigener 
Person den Einkauf für das Familienmahl. 
Auf der Agora stehn auch Wechslertische so gut wie in Piräus, 
und der Athener legt seinen Barvorrat bei diesen Wechslern und 
Bankhaltern nieder, um ihn nach Bedarf in kleinen Beträgen wieder 
zurückzunehmen. 
Der Athener hat unzählige Gründe, täglich wenigstens einmal 
die Agora zu besuchen, und wenn es ihm dennoch zufällig an einem 
Grunde fehlen sollte, so begibt er sich ohne Grund dahin. Er ist 
überaus geselliger Natur. Beständiger Verkehr mit seinesgleichen ist
	        
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