Full text: Ergänzungsband für Mittelschulen (Teil 4, [Schülerbd.])

50 ννννννννα Gotthold Ephraim Lessing cνννν 
2ꝛ die alle drei ihm gleich gehorsam waren, 
die alle drei er folglich gleich zu lieben 
sich nicht entbrechen konnte. Nur von Zeit 
zu Zeit schien ihm bald der, bald dieser, bald 
der dritte — so wie jeder sich mit ihm 
2 allein befand und sein ergießend Herz 
die andern zwei nicht teilten, — würdiger 
des Ringes, den er denn auch einem jeden 
die fromme Schwachheit hatte, zu versprechen. 
Das ging nun so, so lang' es ging. — Allein 
z0 es kam zum Sterben, und der gute Vater 
kommt in Verlegenheit. Es schmerzt ihn, zwei 
von seinen Söhnen, die sich auf sein Wort 
verlassen, so zu kränken. — Was zu tun? — 
Er sendet insgeheim zu einem Künstler, 
3s bei dem er, nach dem Muster seines Ringes, 
zwei andere bestellt und weder Kosten 
noch Mühe sparen heißt, sie jenem gleich, 
vollkommen gleich zu machen. Das gelingt 
dem Künstler. Da er ihm die Ringe bringt, 
1 kann selbst der Vater seinen Musterring 
nicht unterscheiden. Froh und freudig ruft 
er seine Söhne, jeden insbesondre; 
gibt jedem insbesondre seinen Segen — 
und seinen Ring — und stirbt. — ... 
5 Kaum war der Vater tot, so kommt ein jeder 
mit seinem Ring, und jeder will der Fürst 
des Hauses sein. Man untersucht, man zankt, 
man klagt. Umsonst; der rechte Ring war nicht 
erweislich. — ... 
... Die Söhne 
so verklagten sich; und jeder schwur dem Richter, 
unmittelbar aus seines Vaters Hand 
den Ring zu haben — wie auch wahr! — nachdem 
er von ihm lange das Versprechen schon 
gehabt, des Ringes Vorrecht einmal zu 
s6 genießen — wie nicht minder wahr! — Der Vater, 
beteu'rte jeder, könne gegen ihn 
nicht falsch gewesen sein; und eh' er dieses 
von ihm, von einem solchen lieben Vater, 
argwohnen lass': eh' müss' er seine Brüder, 
so so gern er sonst von ihnen nur das Beste 
bereit zu glauben sei, des falschen Spiels 
bezeihen; und er wolle die Verräter 
schon auszufinden wissen, sich schon rächen.
	        
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