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7. Gefolgt von den Offizieren, betritt der hohe Vorgesetzte
den Raum, und die Musik beginnt. Aus jugendfrischen Kehlen
ertönt vielhundertstimmig das Lied: „O du fröhliche, o du selige,
gnadenbringende Weihnachtszeit“ und schwebt zum Himmel empor.
Es ist ein schöner, feierlich erhebender Augenblick. Die Herzen öffnen
sich weit, die Gedanken schweifen hinaus über den Ozean hin zu den
fernen Gestaden, zu all den Teuren, von denen man so weit getrennt
ist, und mit denen man sich dennoch im Herzen eng verbunden weiß.
8. Die letzten Töne des Gesanges sind verhallt, und nun tritt
die laute Freude in ihr Recht. Die Offizierburschen schleppen
Körbe und Pakete für jede Back heran, und das Auspacken beginnt,
dem die Leute verlangend zuschauen. Jede Gabe trägt die Nummer
des Betreffenden, und so vollzieht sich die Verteilung in schönster
Ordnung. Nützliches, Angenehmes und Scherzhaftes wechseln
miteinander, aber bei keinem Geschenk fehlt die Erinnerung
an die Kinderzeit, der wohlschmeckende Pfefferkuchen. Sorglam in
Blechkisten verpackt, hat das heimische Gebäck nichts von seinem
Geschmack eingebüßt und mundet vortrefflich. Aber auch Zigarren,
Messer, Bilder, Briefpapier und hunderterlei andre Dinge kommen
zur Verteilung. Besonders glücklich schätzt sich, wer ein Buch erhält.
Die kleine Schiffsbibliothek ist längst durchgelesen und neuer
Lesestoff deshalb unschätzbar.
9. Kommandant und Offiziere wandern von Back zu Back,
um sich mit ihren Untergebenen zu erfreuen, und mit strahlenden
Augen sprechen diese ihren Dank aus. Dann begeben sich die
Vorgesetzten in die Offiziersmesse, wo ebenfalls ein brennender
Baum sie erwartet und die Überraschungen für sie beginnen, um
mit einem festlichen Weihnachtsmahl zu enden. — Jubelnd zeigen
sich die Mannschaften ihre Schätze, und überall herrscht Freude
und Frohsinn. Da schrillt wieder die. Bootsmannspfeife, und alles
verstummt. „Die Bachschaften sollen zum Offiziersteward kommen!“
lautet der Befehl. Bald kehren die Gerufenen zurück, aber mit einer
neuen Überraschung. Die Offiziersmesse sendet jeder Back zweiFlaschen
Wein, und ein donnerndes Hoch auf die gütigen Geber ist die Antwort.
10. Die Lichte sind niedergebrannt, die Geschenke sorgfältig in
der Kleiderkiste geborgen. Die Weihnachtsbäume haben ihre Pflicht
getan und wandern in den Maschinenraum, nirgends anders ist
Platz für sie. Der schönen, mit so viel Mühe hergestellten Kunstwerke
harrt das Los, zum Feueranmachen verwertet zu werden. —
Undank ist der Welt Lohn.