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dem zwölf Helden zu tragen haben. Sie windet die Armel auf
an den weißen Armen, faßt den Schild, zuckt den Ger aufwärts —
da beginnt der Streit. Gunter, dem Siegfried gleich wie den andern
unsichtbar ist, bebt vor der schrecklichen und doch begehrten
Gegnerin; da nahet ihm Siegfried, läßt sich den Schild von Gunter
geben und heißt ihn nur die Gebärde des Kampfes machen; und
wie freut sich Gunter, als er Siegfrieds helfende Nähe bemerkt!
Jetzt schleudert die Walküre den Speer, und die Funken fliegen
wie vom Wind gewehte Flammen von dem Schilde des Gegners,
in den der Speer einschlägt; Siegfried wankt, aber bald steht er
wieder fest und schleudert mit noch wilderer Kraft den Speer nach
der Jungfrau. Sie fängt ihn mit dem Schilde, aber sie fällt. „Habe
Dank für den Schuß,“ ruft die Gewaltige, sofort wieder auf⸗
springend, „habe Dank, edler Ritter Gunter!“ Und zornig, besiegt
zu sein, eilt sie nach dem Steine, ergreift ihn, schwingt ihn mit
gewaltigem Arme, schleudert ihn weit hin und springt dem
geworfenen mit fliegendem Kriegssprunge nach und über ihn
hinaus, daß laut ihr Eisengewand erklingt. Aber der kühne, kräftige
Siegfried, langen und schnellen Leibes, faßt augenblicklich den
Stein, schwingt ihn und wirft ihn weit über die Kämpferin hinweg,
und im Wurfe springt er, den König noch dazu unter dem Arme
tragend, mit übermenschlichen Kräften den ungeheuren Sprung,
weiter noch als die Walküre gesprungen war. Und diese wendet
sich augenblicklich zu ihrem Heergefolge: „Mage und Mannen,
kommt heran, ihr sollt König Gunter alle werden untertan.“
5. Man rüstet zur Heimfahrt, und nachdem Siegfried erst noch
sein Nibelungenreich besucht, Mannen von dort aufgeboten und
reiche Schätze mitgenommen hat, fahren die Helden, Siegfried als
Verkünder des gewonnenen Sieges und der heimkommenden
Königin des Landes voran, über die See und rheinaufwärts nach
Worms zurück. Das Ziel ist erreicht: wie Brunhild mit Gunter,
so wird Kriemhild mit Siegfried verlobt.
221. Siegfrieds Tod.
Emil Engelmaun.“
Germanias Sagenborn. 2. Auflage. Stuttgart. 1897. S. 160.
1. Siegfried zog an Gunters Seito hoch zu Rob zu Malde;
mit ihnen ritt Hagen und mancher kundige Jagdgenob mit Speer
und Pfeil und Bogen. Schwer beladene Saumrosse trugen