Zustände im deutschen Reich um die Mitte des 18. Jahrhunderts. 467
überzeugt war, daß die großen Dinge nur die Vervielfältigung der kleinen sind.
Alle unnützen Ausgaben schnitt er ab und die Kanäle der Verschwendung stopfte er
zu; seine eigenen Ausgaben beschränkte er auf eine mäßige Summe; denn, sagte er,
ein Fürst muß sparsam sein mit dem Gute wie mit dem Blute seiner Unterthanen.
In diesem Betracht war er ein Philosoph auf dem Thron. Er gab das Beispiel
einer Sittenstrenge und Nüchternheit, würdig der ersten Zeiten der römischen Re¬
publik; ein Feind des Prunkes und der imposanten Außenseiten des Königtums, ver¬
sagte er sich sogar die gewöhnlichsten Bequemlichkeiten des Lebens. Er trachtete
nicht nach dem Glanze der Eroberer, die nichts lieben als den Ruhm, sondern nach
dem Verdienste der Gesetzgeber, die das Gute und die Tugend fördern wollen; er
glaubte, der Mut des Geistes, der so nötig ist, um Mißbrauche abzustellen und nütz¬
liche Neuerungen in der Verwaltung einzuführen, sei vorzuziehen jenem Feuer des
Temperaments, das den größten Gefahren trotzt, ohne Furcht allerdings, aber auch
oft ohne Kenntnis ihrer Größe. Die Spuren, welche die Weisheit seiner Regierung
im Staate hinterlassen hat, werden dauern, so lange Preußen als nationaler Körper
besteht. — Wenn es wahr ist, daß man den Schatten der Eiche, unter der man
ruht, der edlen Eichel dankt, aus der sie erwachsen ist, so wird jeder zugestehen, daß
sich in dem arbeitsamen Leben, dem weisen Walten dieses Fürsten die Grundlagen
der Blüte finden, deren sich das königliche Haus nach seinem Tode erfreut hat."
Friedrich Wilhelm hinterließ dem Nachfolger als Frucht seiner
langen Arbeit ein vortrefflich geschultes und reichlich ausgestattetes,
schlagfertiges Heer von 83 000 Mann, einen baren Schatz von 8 Mil¬
lionen Thalern, einen festgefügten Staat (2145 Quadratmeilen mit
2486000 Einwohnern) und ein zur Thatkraft erzogenes Volk.
Zustände im deutsche» Reich um die Mitte bcs
18. Jahrhunderts.
I. Städtisches Leven").
1. Aussehen der Stadt. Die alten Ziegelmauern stehen noch,
oft auch die Türme über den Thoren und hie und da über den
Mauer». Manchem der Türme ist ein hölzernes Notdach aufgesetzt,
in den stärksten sind Gefängnisse eingerichtet, andere, baufällige, die
vielleicht im großen Kriege zerschossen wurden, sind abgetragen. Auch
*) Nach GustavFreytag, Bilder aus der deutschen Vergangenheit. 4. Bd.
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