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Aber das war nun schlimm! Ich hatte noch gar nicht daran gedacht, 
daß ich eigentlich den rechten Weg nicht wußte. Auch war ringsumher 
kein Mensch zu sehen in der stillen Morgenstunde, den ich hätte fragen 
können, und nicht weit von mir teilte sich die Landstraße in viele neue 
Landstraßen, die gingen weit, weit über die höchsten Berge fort, als 
führten sie aus der Welt hinaus, so daß mir ordentlich schwindelte, wenn 
ich recht hinsah. 
Endlich kam ein Bauer des Weges daher, der, glaub’ ich, nach der 
Kirche ging, da es heut eben Sonntag war, in einem altmodischen Uber¬ 
rocke mit großen silbernen Knöpfen und einem langen spanischen Rohr 
mit einem sehr massiven silbernen Stockknopf darauf, der schon von 
weitem in der Sonne funkelte. Ich frug ihn sogleich mit vieler Höflichkeit: 
„Können Sie mir nicht sagen, wo der Weg nach Italien geht?" — Der 
Bauer blieb stehen, sah mich an, besann sich dann mit weit vorgeschobener 
Unterlippe und sah mich wieder an. Ich sagte noch einmal: „Nach 
Italien, wo die Pomeranzen wachsen." — „Ach, was gehn mich Seine 
Pomeranzen an!" sagte der Bauer da und schritt wacker wieder weiter. 
Ich hätte dem Manne mehr Höflichkeit zugetraut, denn er sah recht statt¬ 
lich aus. 
Was war nun zu machen? Wieder umkehren und in mein Dorf 
zurückgehen? Da hätten die Leute mit Fingern auf mich gewiesen, und 
die Jungen wären um mich herumgesprungen: Ei, tausend willkommen 
aus der Welt! wie sieht es denn aus in der Welt? hat Er uns nicht 
Pfefferkuchen mitgebracht aus der Welt? — Der Portier mit der kur¬ 
fürstlichen Nase, welcher überhaupt viele Kenntnisse von der Weltgeschichte 
hatte, sagte oft zu mir: „Wertgeschätzter Herr Einnehmer! Italien ist 
ein schönes Land, da sorgt der liebe Gott für alles, da kann man sich im 
Sonnenschein auf den Rücken legen, so wachsen einem die Rosinen ins 
Maul, und wenn einen die Tarantel beißt, so tanzt man mit ungemeiner 
Gelenkigkeit, wenn man auch sonst nicht tanzen gelernt hat." — Nein,, 
nach Italien, nach Italien! rief ich voller Vergnügen aus und rannte, 
ohne an die verschiedenen Wege zu denken, auf der Straße fort, die mir 
eben vor die Füße kam. 
Als ich eine Strecke so fort gewandert war, sah ich rechts von der 
Straße einen sehr schönen Baum garten, wo die Morgensonne so lustig 
zwischen den Stämmen und Wipfeln hindurch schimmerte, daß es aussah, 
als wäre der Rasen mit goldenen Teppichen belegt. Da ich keinen 
Menschen erblickte, stieg ich über den niedrigen Gartenzaun und legte 
mich recht behaglich unter einem Apfelbaum ins Gras. Da konnte man 
weit ins Land hinaussehen, und da es Sonntag war, so kamen bis aus der 
weitesten Ferne Glockenklänge über die stillen Felder herüber, und geputzte 
Landleute zogen überall zwischen Wiesen und Büschen nach der Kirche.
	        
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