— 285 —
ist eine wortbrüchige Frau? Ich will ja nichts geschenkt haben; ich bitte
nur um Vorschuß!"
Der Kämmerer war inzwischen wieder ins Gleichgewicht gekommen
und verneigte sich ehrerbietig. „Zu dienen, Majestät! Ich bitte unter¬
tänigst, mich meine unziemlichen Worte nicht entgelten zu lassen!" Da-
nnt empfahl er sich.
Am Abend kani die arme Frau wieder und ging nach wenigere
Minuten beglückt von dannen. Die Königin, deren Geldkästchen sich in¬
zwischen mit zweihundert Talern gefüllt hatte, hatte ihr fünfzehn Taler
in die Hand gedrückt. —
Es war ungefähr eine Woche vergangen, da mußte der geheime
Kämmerer Walter abermals vor Ihrer Majestät erscheinen.
„Es tut mir sehr leid," redete die Königin ihn an, „daß ich Sie
abermals bemühen nniß. Ich habe jüngst nicht wissen können, daß in
dieser Woche der Zulauf seitens der lieben Armut so groß sein würde.
Kann Ihnen nicht helfen; Sie müssen noch einmal Ihre milde Hand
auftun und mir einen weiteren Vorschuß von hundert Talern gewähren.
Gebe Ihnen zugleich das Versprechen, im nächsten Monat desto sparsamer
zu sein."
Der Kämmerer stand wie auf Kohlen und wußte nicht, wo er die
Augen lassen, wie er die Worte setzen sollte. Was er von Entschuldigun¬
gen zutage brachte, ging so kraus durcheinander, daß kein Mensch daraus
klug werden konnte.
Die Königin unterbrach ihn endlich: „Ich bitte, reden Sie deutsch,
sagen Sie Ihre Antwort gerade heraus; Sie verschweigen mir etwas!"
Da faßte sich Walter und erwiderte: „Wenn ich's denn gerade
heraussagen soll: Seine Majestät der König hat eine große Abneigung
gegen Vorschüsse und dieselben strengstens untersagt."
„Auch wenn ich einen fordere?" siel die Königin schnell ein.
Der Kämmerer schwieg einen Augenblick und kaute an der Unterlippe.
Er suchte vergebens nach einer Antwort, bis er endlich seine Zuflucht zu
einer Ausflucht nahm: „Halten zu Gnaden, Majestät, das geht nicht so
länger mehr; Majestät geben sich noch ganz arm."
Die Königin trat dicht vor den Kämmerer und fragte rasch: „Wie-
viel Kinder haben Sie, lieber Walter?"
Der Kämmerer stotterte verblüfft: „Sieben, Majestät!"
„Das ist nicht viel," versetzte die Königin. „Ich habe mehr, ich
kann sie gar nicht zählen, die Kinder, die sich um ihre Landesniutter
scharen. Verlangen Sie, ich solle gegen diese eine Stiefmutter sein? Das
geht nicht an! Ich muß helfen, wo es not ist!"
Den Kämmerer wandelte es bei diesen Worten wie Ehrfurcht au,
und die Tränen wollten ihm in die Augen schießen; aber da kam wieder
ein anderer Gedanke geschlichen, der die weiche Stimmung verdrängte. „Ja,"
sagte er, „Ew. Majestät sind wie ein Engel Gottes, aber mit der Armut
hat's doch auch sein Bedenken; es laufen so viele Unwürdige mit unter."