Full text: [Teil 6 = 7. u. 8. Schulj., [Schülerbd.]] (Teil 6 = 7. u. 8. Schulj., [Schülerbd.])

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Der Sanb verrinnt, die Stunde schlägt, 
und eh' ein Hauch dies Blatt bewegt, 
kann auch die deine schlagen. Lmanuel Geibel. 
13. Die Kapelle. 
1. Droben stehet die Kapelle, schauet still ins Tal hinab; drunten 
singt bei Wies' und Quelle froh und hell der Hirtenknab'. 
2. Traurig tönt das Glöcklein nieder, schauerlich der Leichenchor; 
stille sind die frohen Lieder, und der Knabe lauscht empor. 
3. Droben bringt man sie zu Grabe, die sich freuten in dem Tal. 
Hirtenknabe, Hirtenknabe, dir auch singt man dort einmal! 
Ludwig Uhland. 
14. Schäfert» Sonntagslied. 
1. Das ist der Tag des Herrn 1 2. Anbetend knie’ ich hier. 
Ich bin allein auf weiter Flur; 0 süßes Graun! geheimes Wehn! 
noch eine Morgenglocke nur, als knieten viele ungesehn 
nun Stille nah und fern. und beteten mit mir. 
3. Der Himmel, nah und fern, 
er ist so klar und feierlich, 
so ganz, als wollt’ er öffnen sich. 
Das ist der Tag des Herrn! Ludwig Uhland. 
15. Mitgefühl im Kriege. 
In unserem großväterlichen Pfarrhause zu O. im Elsaß 
wurde 1870 ein gar trübseliger Christabend gefeiert. Lebhaft noch 
sehe ich vor mir die greisen Großeltern, wie sie mit bekümmertem 
Herzen ihres jüngsten Sohnes gedachten, der, fern von der Hei¬ 
mat, in den Reihen des französischen Heeres stand und fürs Vater¬ 
land sein Leben in die Schanze schlug. Seit dem Beginn des Feld¬ 
zugs war auch nicht die geringste Kunde von ihm an sie gelangt, 
und am Weihnachtsabend war ihnen das Herz doppelt schwer. 
Kaum wollte es der Engelsbotschaft von der „großen Freude" 
gelingen, sich eine Bahn in ihre sorgenvolle Seele zu verschaffen. 
Trübe vergingen auch die Festtage; immer mehr und mehr drängte 
sich ihnen und uns allen die Gewißheit auf, daß der schmerzlich 
Vermißte ein Opfer des mörderischen Krieges geworden sei. Da 
— am Eingang des Jahres 1871 — brachte der Briefträger einen 
Feldpostbrief von unbekannter Hand, aus dem deutschen Lager 
vor Paris. Ich selbst habe den Brief gelesen; ein deutscher 
Hauptmann hatte ihn geschrieben und den trauernden Eltern 
im Aufträge des Sohnes die Freudenbotschaft gemeldet, daß er 
noch lebe, sich wohlbefinde und als Vorposten vor Paris stehe. 
Wie das wohl zugegangen sein mag? fragst du vielleicht. In 
der Christnacht ist's gewesen, da hat meinem Oheim dort vor 
Paris beim Gesang des ergreifenden Weihnachtsliedes das Herz
	        
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