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herzustellen beabsichtigte, da erschien die Burg Dankwarderode
als ein großes Hindernis. Man plante daher schon, sie nieder¬
zureißen, zumal sie seit dem Jahre 1873, wo ein Teil durch
Feuersbrunst zerstört war, nur noch eine Ruine war. Und es
wäre dazu gekommen trotz des Widerspruchs aller Geschichts¬
freunde, wenn nicht der Regent Prinz Albrecht von Preußen
es als seine Aufgabe angesehen hätte, die Stätte, in der einst
Heinrich der Löwe seine Hofhaltung gehabt hatte, der Nach¬
welt zu erhalten. So rettete ein Sproß des Zollernhauses den
Sitz der Ahnen des in unserm Lande bereits erloschenen Welf en¬
geschlechtes vor dem Untergange. Das soll ihm nimmermehr
vergessen werden! — Und welch eigenartiges Bild ist dadurch
geschaffen! Mittelalter und Neuzeit reichen an dieser Stelle ein¬
ander die Hände. Die Burg ist etwa nach demselben Plane wie¬
dererstanden, wie ihn der erste Erbauer entworfen hat. Sie be¬
sitzt wie einst einen großen Saal zu Versammlungen, kleinere
Gemächer zum Wohnen, eine überbaute Freitreppe, einen Haus¬
mannsturm und einen Verbindungsgang nach dem Dome. Von
dem Befestigungsgraben, der einst die ganze Burg samt dem
Dome und sonstigem Zubehör wie eine Insel umschloß, ist
allerdings nur noch ein schwacher Rest geblieben. Aber alles
ist durch die Mittel der modernen Baukunst prächtiger ausge¬
schmückt, als es jemals vorher war. Auf der Westseite der
Burg bietet sich uns ein Stück Mittelalter: der Burgplatz, um¬
geben von dem Dome, dem Huneborstelschen Hause und an¬
dern in ihrem Stile dazu passenden Bauten, und mitten darauf
das altberühmte Löwendenkmal. Der Platz vor der Ostseite
der Burg mit dem neuen Rathause, dem Finanzgebäude und
dem Reiterstandbilde des letzten Weifenherzogs Wilhelm bringt
uns wieder zurück in die Gegenwart.
Bei einem Rundgange durch die Altstadt beobachten wir
vielfach die Wirkung der Anregungen, die der Verein für
Denkmalspflege gegeben hat. Bauwerke aus dem Mittelalter
mit ihrer schönen Holzarchitektur sind mit leuchtenden Farben
vermalt, so daß die geschnitzten Balken mit ihren Figuren und
Sprüchen deutlich hervortreten — ein schönes Zeugnis für den
Kunstsinn der früheren, wie der jetzigen Bewohner.
Welchen Wert der Braunschweiger auf die Erhaltung
alles dessen legt, was seine Eigenart kennzeichnet, konnte man
besonders im Jahre 1890 beobachten. Man beabsichtigte da¬
mals, am 75. Tage der Wiederkehr der Schlacht bei Quatrebras
ein Denkmal an der Stätte zu errichten, wo unser Heldenherzog
Friedrich Wilhelm am 16. Juni 1815 seinen Tod gefunden hatte.
Dieses Denkmal, ein Löwe auf einem hohen Sockel, sollte vorher
in der Ägidienhalle zur Schau gestellt werden, und damit sollte
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