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91. Die Preundschaft im richruort.
I. Freunde in der Not gehen hundert auf ein Lot. 2. Preund
in der Not, Freund im Tod, Freund hinterm Ruchen Sind drei
gtarke Brũüũcken. 8. Besser allein, als in böser Gemein'. 4. hõse
Beispiele oerderben gute Sitten. 6. Gleiche Brũder, gleiche Kappen.
6. Huũte dich oor den Kataen, die oorne lechen und hinten krautaen.
Baue nicht auf jeden,
tũta dich nieht auf holde Reden,
doch wenn ein andrer dir vertraut,
zeig ihm, daß er auf FPelssen baut. doν α.
Der meint es mit dem Freund nicht gut,
der alles gutheißt, was er tut.
Meidank.
92. Doppelt gibt, wer bald gibt.
Es war an einem kalten Novembermorgen Anno 1874 gegen
8 Uhr. Ich hatte behaglich gefrühstückt und auch, wie sich's Christen
geziemt, mit Weib, Kindern und mit den andern lieben Hausgenossen,
die man gewöhnlich „Gesinde“ nennt, Morgenandacht gehalten, Gottes
Wort sen und gebetet. Ich glaube, ich hatte wirklich gebetet, d. h.
nicht nur fromme Worte gesprochen, sondern mit Gott geredet; aber
ach, wie schnell sind wir Erdenkinder wieder aus der Ewigkeitsluft
heraus! Jetzt hatte ich mir eine Zigarre angezündet und trat ans
Fenster meiner Studierstube, um nach meiner Gewohnheit ein Arbeits—
programm für den Tageslauf zu machen. Vor mir lag der Garten,
und die falben Blätter raschelten reichlich in das Gras herunter.
Hinter meinem Garten aber ist ein hölzerner Zaun, an welchem
eine kleine Straße vorüberführt, die nach dem großen Lessing
benannt ist; sie ist aber nichtsdestoweniger sehr klein, still und ohne
Verkehr. Auf den Zaun gelehnt sah ich zwei schmutzige, zerlumpte
Slowakenjungen, Mausefallenhändler im Alter von 15 oder 16 Jah⸗
ren; der eine hielt seinen Kopf in der linken, der andere in der
rechten Hand. So standen sie da, das eine Gesicht nahe beim andern,
und schauten sich in die tiefen, schwarzen, schwermütigen Augen. Es
schien, als ob sie sich etwas erzählten oder klagten, aber nicht mit
Worten, denn ihr Mund war geschlossen. Die Jungen inter—