Full text: [Teil 2 = 7. u. 8. Schulj, [Schülerbd.]] (Teil 2 = 7. u. 8. Schulj, [Schülerbd.])

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weinen, Hagen gönne ihr keine Freude, und so lassen sie ihr die Werbung 
vortragen. 
Kriemhilde weigert sich lauge, bittet sich endlich Bedenkzeit aus und 
willigt erst ein, als ihr Rüdiger gelobt: 
Laßt Euer Weinen sein, 
und hättet Ihr bei den Hunnen niemand als mich allein, 
und meine treuen Magen und alle meine Mann, 
so soll es schlimm entgelten, wer Euch etwas gethan." 
Wohl linderte die Rede der Fürstin trüben Mut; 
sie sprach: „So schwört mir Eide, was mir einer thut, 
daß Ihr der erste sein wollt, der mir rächt mein Leid." 
Und Rüdiger mit allen seinen Mannen leistet den Eid, ohne zu ahnen, 
welche Gedanken blutiger Rache dabei in Kriemhildens Herzen lauern, ohne 
Au ahnen, welch Herzeleid er durch diesen Eid über sich und sein ganzes 
Hans heraufbeschworen hat. 
Nun zieht sie bald mit den Boten, im Geleite ihrer Jungfrauen, dem 
Hunnenlande im fernen Osten zu. Ihre Brüder Gernot und Giselher 
geben ihr das Geleite bis an die Donanstadt Beringen, wo sie sich schmerz¬ 
voll von ihnen trennt. Ihr weiterer Weg geht über Passan, wo der Bischof 
Pilgerin, ihrer Mutter Bruder, sie mit großen Ehren aufnimmt, dann 
uach Bechlaren, wo sie von Frau Gotelind, Rüdigers Gemahlin, in deren 
gastlichem Hanse liebreich empfangen wird. Von Ort zu Ort wird ihr 
Gefolge zahlreicher. Bei Tulne kommt ihr König Etzel selbst entgegengeritten 
wit einem glänzenden Gefolge von Königen und Fürsten, die seine Vasallen 
sind, unter ihnen, alle überragend, eine Heldengestalt, umgeben von kühnen 
Recken, deren Angesichter trotzig ans ihren Wolfshelmcn hervorschauten. 
Es ist Dietrich von Bern, der große Gotenfürst. Nach der Be¬ 
grüßung der hohen Brautleute werden ritterliche Spiele abgehalten, dann 
zieht der Hnnnenkönig mit Kriemhilden nach Wien zur Hochzeitsfeier. 
17 Tage währen die Festlichkeiten. Aber inmitten aller dieser nie geahnten 
Herrlichkeiten, inmitten des berauschenden Völkerjnbels, der zu ihrer Ehre 
ertönte, saß die neuvermählte Königin trauernd. 
Da gedachte sie, wie einstmals sie an dem Rheine saß 
bei ihrem edlen Manne, ihre Augen wurden naß; 
schnell barg sie ihre Thränen, daß keiner es möchte seh'n. — 
Am 18. Morgen schiffen sie sich auf der Donau ein; von Schiffen, 
Re man zusammengeschlossen, von Zelten, die man darüber gespannt, ist der 
Strom bedeckt, als wäre es Land und Feld. So kommen sie zur Etzel- 
i>urg, wo sie unter großem Glanze ihren Einzug halten. 
Sieben Jahre vergehen. Kriemhilde hat einen Sohn geboren, der in 
R'r Taufe den Namen Ortlieb empfing, aber sie fühlt sich fremd in dem 
fremden Lande; weitere sechs Jahre vergehen, aber das Leid um den Mann 
'hrer ersten und einzigen Liebe, und das Verlängert, seine Ermordung zu 
suchen, füllt noch immer ihre Seele ans. Als sie ihrem Gemahle klagt, 
vaß man sie im Lande für verwaiset halte, weil ihre Verwandten sie noch 
Ulemals besucht hätten, erbietet er sich sofort, ihre Brüder und Freunde zu 
k"lem Hoffeste auf nächste Sonnenwende einzuladen. Werbel und Swem- 
Die Welt im Spiegel. II. N. 0. 2
	        
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