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Einige der stärksten und heftigsten Schlüge gaben dem eingefügten
Stücke das letzte Geschick. Der Schulze stieß mit dem Fuße die vor das
Rad gelegten Steine hinweg, faßte den Wagen bei der Stange, um das
geflickte Rad zu prüfen, und zog ihn, ungeachtet seiner Schwere, ohne An¬
strengung quer über den Hof, so daß die Hühner, Gänse und Enten, welche
sich ruhig gesonnt hatten, mit großem Geschrei vor dem rasselnden Wagen
entflohen und ein paar Schweine aus ihrem eingewühlten Lager grunzend
auffuhren.
Zwei Männer, von denen der eine ein Pferdehändler, der andere
ein Rendant oder Rezeptor war, hatten, unter der großen Linde vor
dem Wohnhause sitzend und ihren Trunk verzehrend, der Arbeit des alten,
rüstigen Mannes zugesehen. „Das muß wahr sein", rief jetzt der eine, der
Pferdehändler, „Ihr hättet einen tüchtigen Schmied abgegeben, Hofschulze!"
Der Hofschulze wusch in einem Stalleimer voll Wasser, welcher neben
dem kleinen Amboße stand, sich Hände und Gesicht, goß dann das Feuer
aus und sagte: „Ein Narr, der dem Schmiede giebt, was er selbst verdienen
kann." Er nahm den Amboß auf, als sei er eine Feder, und trug ihn
nebst Hammer und Zange unter einen kleinen Schuppen zwischen Wohnhaus
und Scheuer, in welchem Hobelbank, Säge, Stemmeisen, und was sonst
zum Zimmer- und Schreinergewerk gehört, bei Holz und Brettern mancher
Art stand, lag oder hing.
Indem der Alte sich unter dem Schuppen noch zu schaffen machte, sagte
der Pferdehändler zu dem Rezeptor: „Wollen Sie glauben, daß der alle
Thüren und Pfosten, Schwellen, Kisten und Kasten im Hause mit eigener
Hand flickt, oder, wenn das Glück gut ist, auch neu zuschneidet? Ich meine,
wenn er wollte, könnte er auch einen Kunstschreiner vorstellen und würde
einen richtigen Schrank zuwegebringen."
„Da seid Ihr im Jrrtllm", sprach der Hofschulze, der das letzte ge¬
hört hatte und, das Schurzfell jetzt abgethan, in weißleinenem Kittel aus
dem Schuppen trat. Er setzte sich zu den beiden Männern an den Tisch,
eine Magd brachte ihm auch ein Glas, er that seinen Gästen Bescheid und
fuhr dann fort: „Zu einem Pfosten, zu einer Thür und Schwelle gehören
nur ein paar gesunde Augen und eine firme Faust; aber ein Schreiner
braucht mehr. Ich habe mich einmal vom Hochmute verleiten lassen und
wollte, wie Ihr es nennt, einen richtigen Schrank zuwegebringen, weil mir
Hobel und Meißel und Reißschiene auch bei dem Zimmerhandwerk durch die
Hände gegangen waren. Ich maß und zeichnete und schnitt die Hölzer zu,
auf Fuß und Zoll hatte ich alles abgepaßt; als es nun an das Zusammen¬
fügen und Leimen gehen sollte, war alles verkehrt. Die Wände standen
windschief und klafften, die Klappe vorn war zu groß, und die Kasten für
die Öffnung zu klein. Ihr könnet das Gemächt noch sehen, ich habe es auf
den Dielen stehen lassen, mich vor Versuchung künftig zu wahren; denn es
thut dem Menschen immer gut, wenn er eine Erinnerung an seine Schwach¬
heit vor Angen hat."
In diesem Augenblicke ließ sich ein lustiges Wiehern aus dem Pferde¬
stalle gegenüber wahrnehmen. Der Pferdehändler räusperte sich, spuckte
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