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Rachedurst rüsten sich nun, ohne Dietrichs Wissen und wider sein Gebot,
alle Recken aus dem Gotenstamme und begleiten Meister Hildebrand. Von
Hagen hören sie die Bestätigung der traurigen Mär —
Dietrichs Helden sah man die Thränen niedergeh'n
über Bart und Wange; Leid war ihnen gescheh'n.
Nun begehren sie den Leichnam des edlen Markgrafen, um ihm seine
Treue durch feierliche Totenklage und ehreiwolle Bestattung noch nach dem
Tode zu vergelten. Trotzig verweigern es die Burgunden. Da greifen die
Amelungen zu den Schwertern, ein wütender Kampf entbrennt, Volker wird
von Hildebrand erschlagen, Giselher von Wolfhard, Hildebrands Neffen;
es sinken die Goten dahin, und Hildebrand flieht mit einer schweren
Wunde, die ihm Hagen beigebracht, zu seinem Herrn, um ihm den Tod aller
seiner Mannen zu berichten, während auf Seite der Burgunden nur noch
Günther und Hagen übrig geblieben sind. Von der Klage des Goten¬
fürsten erschallt das Haus, aber er ermannt sich bald wieder zu dem alten
Heldenmute; er ergreift sein Waffengewand und geht den beiden überleben¬
den Burgunden entgegen. Ernst und einsam stehen diese außen vor dem
Hanse, gelehnet an den Saal. Dietrich hält ihnen vor, was sie ihm Leides
gethan und verlangt eine angemessene Sühne; Günther und Hagen sollen
sich ihm zu Geiseln geben, er wolle sie behüten und vor aller Unbill im
Hunnenlande schützen, ja sie in Ehren nach Burgund heimgeleiten. Aber stolz
lehnt es Hagen ab. Der letzte Kampf beginnt. Trotz seiner Todes¬
ermüdung macht Hagen dem Gotenkönige noch genug zu schaffen, aber
Zuletzt bringt ihm dieser doch eine Wunde bei; dann läßt er den Schild
fallen und umschlingt mit seinen Armen den grimmen Helden, fiihrt ihn
gebunden vor die Königin und giebt ihr in die Hand
„den allerkühnsten Recken, der je ein Schwert noch trug:
nach ihrem starken Leide ward sie fröhlich genug."
Sie ließ mm ihren Todfeind in einen Kerker führen, während Dietrich
Zu Günther zurückkehrte und ihn ebenfalls nach heißem Kampfe gebunden
brachte. Kriemhilde mußte versprechen, der beiden Helden Leben zu schonen,
und Dietrich ging mit weinenden Augen von dannen. Günther aber
wurde in einen besonderen Kerker, getrennt von Hagen, eingeschlossen.
Die Königin wandte nun ihre Schritte zu Hägens Kerker und ver¬
sprach ihm das Leben, wenn er ihr den Nibelungenhort zurückgeben wolle.
Aber auch in seinen Fesseln ist sein Trotz noch ungebrochen:
„Die Rede ist verlor'n,
vieledle Königin Kriemhild, ich habe das geschwor'n,
niemand den Hort zu zeigen; solange noch am Leben
vor: meinen Herren einer, wird feinem er gegeben."
Da thut die entartete Frau das Entsetzliche, sie läßt dem Bruder das
Haupt abschlagen und mit eigener Hand trägt sie es an den Haaren vor den
Helden von Tronck. Bei dem schrecklichen Anblicke bricht er in die Worte aus:
„Nun ist von Burgunden der edle König tot,
Giselher der junge und auch Gernot;
den Hort weiß nun niemand als Gott und ich allein,
der soll dir Teuselsweibe auch stets verhohlen sein."