unzählige Gasquellen zu Tage gefördert werden, die freie Luft stets und
überall, auf den höchsten Gebirgen, wie über der Oberfläche des Meeres,
unter dem Äquator, wie in den Polarregionen, dieselbe Mischung bewahrt.
Wer könnte die Jahrtausende zählen, die verstrichen sind, seit das
erste tierische Geschöpf die ersten Sauerstoffatome verzehrte, und wer
die Massen der Kohlensäure berechnen, die von den Urzeiten an sich mit
dem Luftmeere vermischten — und dennoch behauptet letzteres eine be¬
ständige Gleichmässigkeit und unterhält die Lampe des Lebens mit un¬
verminderter Reinheit und Kraft.
Auf eine wunderbare Weise hat die Vorsehung für diese dem Be¬
stehen und dem Gedeihen ihrer Geschöpfe so notwendige Gleichmässig¬
keit der Luft gesorgt. Das Tier verzehrt Sauerstoff und haucht Kohlen¬
säure aus, aber im Lebensprozesse der Pflanze findet das umgekehrte
Verhältnis statt.
Die Pflanze ist dem Tierreich unentbehrlich, aber sie selbst würde
ohne die Kohlensäure nicht bestehen können, die durch die Lebens¬
thätigkeit des Tieres erzeugt wird.
So herrscht eine grofsartige Wechselwirkung zwischen den zwei
Hauptsphären des organischen Lebens, eine Wechselwirkung, die offen¬
bar auf einen grossen einheitlichen Schöpfungsplan hinweist.
Hartwig.
147. Der Schnee.
Kein Naturereignis wird von der Jugend freudiger begrüßt als der
Schnee. Wie jubeln Knaben und Mädchen, wenn sie morgens beim Er¬
wachen „alles weiß" erblicken! Wie freuen sie sich darauf, ins Freie zu
gehen, um den Schlitten zu versuchen oder wenigstens ihre Fnßstapfen in den
weichen Teppich zu drücken! Wie drängt es die Knaben, das bildsam ge¬
wordene Wasser zu Wurfgeschossen und Bildsäulen zu verarbeiten!
Und nicht bloß der Kinderwelt, auch den Erwachsenen ist der Schnee
eine liebe Erscheinung. Ein schneeloser Winter — wie öd und traurig
würde er uns Nordländern erscheinen! Fast so unnatürlich und unschön
wie ein Frühling ohne Grün!
Der Schneefall ist eines der anziehendsten Naturschauspiele. Stunden¬
lang könnte man dem lautlosen Herabrieseln des Lnftwassers zusehen und
würde immer neues erblicken, denn jeder Schneefall hat seine Eigenheiten,
ja jeder einzelne zeigt in seinen verschiedenen Zeiträumen ein verschiedenes
Aussehen. Jetzt spielen ganz einzelne zarte Flöckchen im sanftesten Fluge
hernieder, in der nächsten Minute fallen größere und dichtere Flaumen;
bald erregt sie ein Lufthauch zu wirbelndem Tanze, daß sie durchein¬
ander flattern wie Schwärme weißer Schmetterlinge; dann fallen sie dichter
und dichter, bis sie die Aussicht mit nebelartigem Grau verschleiern und so
massentveise durcheinander wimmeln, daß dem Beschauer fast schwindelt.
Und wie verschieden ist ein Schneefall vom andern! — Gestern fielen
die Flocken so einzeln und zögernd wie die Blütenblätter des Kirschbaumes,
heute, „wo Frau Holle ihre Betten schüttelt", tummeln sich die Federn in