Full text: [Teil 2 = 7. u. 8. Schulj, [Schülerbd.]] (Teil 2 = 7. u. 8. Schulj, [Schülerbd.])

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Einer der massenhaftesten Schneesälle, von denen die Witterungskunde 
berichtet, ereignete sich im Jahre 1741 in New-Aork, wo sich binnen zwei 
Tagen ein Teppich von 5 m Höhe bildete. In der Neuzeit war 
für Deutschland der Winter 1859/60 der schneereichste; auf dem Thüringer 
Walde waren damals einzelne Hütten förmlich zugedeckt und viele Wege 
ungangbar. Eine Schlittenfahrt auf den Straßen, wo man durch Aus¬ 
schaufeln und Schneepflüge Bahn gemacht hatte, erinnerte an einen einge¬ 
winterten Alpenpaß. 
Die Ursache, welche einen Schneefall veranlaßt, ist die Begegnung 
eines kalten Luftstromes mit einem wärmeren, der mit Wasserdampf mehr 
oder weniger gesättigt ist. Je reichlicher die Luft mit Dampf erfüllt ist, 
und je tiefer die Temperatur des kühlen Luftstromes unter der des Dampfes 
steht, desto ergiebiger fällt der Schnee. Bei strenger Kälte schneit es selten 
und stets nur in kleinen Flittern; große Flaumen fallen bloß bei milderem, 
windstillen! Wetter. 
Daß der Schnee nicht eine formlose Masse, sondern ein regelmäßiges 
Gebilde ist, welches an die Krystallformen der Mineralien erinnert, erkennen 
selbst die Kinder, wenn sie die an ihren Kleidern haftenden Flaumen 
betrachten, welche meist zierlichen Sternen gleichen. Bei reichlichem Schnee¬ 
sall sind diese Sterne durch Zusammenstoß mit anderen beschädigt und durch 
Zusammenkleben mit anderen unkenntlich; am deutlichsten und vollkommensten 
erscheinen sie, wenn es recht zarte und einzelne Flitterchen schneit. Dann 
verdienen diese Blüten des Winters die nähere Betrachtung aller Menschen. 
Man fängt sie auf einem Stück dunkeln Tuches oder auf einer Schiefer¬ 
tafel, die man gründlich abgekühlt hat, auf und betrachtet sie in einem 
kalten Raume. Da erfreut man sich dann einer wahren Augenweide. Der¬ 
selbe Grundplan, nach welchem die Bienenzellen und die Blüten der Zwiebel¬ 
gewächse angelegt sind, das regelmäßige Sechseck, liegt diesen Eisgebilden 
zu Grunde. Vom Mittelpunkte gehen sechs Strahlen unter Winkeln von 
sechzig Grad ab — das ist das einfache Grundgesetz, aber wie schön und 
reich sind die Verschiedenheiten bei den einzelnen Gebilden. Bald ist es 
ein Stern ohne Körper, dessen sechs Strahlen einfach, oder gefiedert, oder 
verästelt und mit allerlei Zierat behängen sind, bald eine sechsseitige 
Scheibe, welche in ihrem Körper mannigfaltige Verzierungen und oft an 
ihrem Rande hübsche Schmuckanhängsel trägt. Man wird beim Beschauen 
dieser niedlichen Bildungen oft an die hübschen rosettenähnlichen Formen 
erinnert, welche das Kaleidoskop sehen läßt. Bei jedem Schneesälle herrscht 
eine besondere Form in diesen Gebilden vor. 
Der Schneeteppich ist nicht bloß ein Schmuck, welcher die Winter¬ 
landschaft heiterer und reinlicher erscheinen läßt, sondern zugleich eine 
warmhaltende Decke, welche in ihrer Wirkung einem Federbette ähnelt. Sie 
schlitzt gegen den kalten Wind, hindert das Ausstrahlen der Wärme aus 
dem Boden und läßt die äußere Kälte nicht in ihrer vollen Strenge zur 
Erde dringen. 
Auf diese Weise wird die Schneedecke die Erhalterin von Millionen 
von Pflanzen und Tieren, welche unter ihr den Winterschlaf halten und
	        
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