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°- Die sechs Genossen ritten bald
vereint nach den Ardennen,
doch als sie kamen in den Wald,
da thäten sie sich trennen.
Roland ritt hinterm Vater her;
wie wohl ihm war, des Helden Speer,
des Helden Schild zu tragen!
6. Bei Sonnenschein und Mondenlicht
streiften die kühnen Degen,
doch fanden sie den Riesen nicht
in Felsen und Gehegen.
Zur Mittagsstund' am vierten Tag
der Herzog Milon schlafen lag
ln einer Eiche Schatten.
Roland sah in der Ferne bald
ein Blitzeil und ein Leuchten,
davon die Strahlen in dem Wald
die Hirsch' und Reh' aufscheuchten;
er sah, es kam von einem Schild,
den trug ein Riese, groß und wild,
vom Berge niedersteigend.
8. Roland gedacht' im Herzen sein:
„Was ist das für ein Schrecken!
Soll ich den lieben Vater mein
im besten Schlaf erwecken?
Es wachet ja sein gutes Pferd,
es wacht sein Speer, sein Schild und
es wacht Roland, der junge." sSchwert,
9. Roland das Schwert zur Seite band,
Herrn Milons starkes Waffen,
die Lanze nahm er in die Hand
und that den Schild aufraffen.
Herrn Milons Roß bestieg er dann
und ritt ganz sachte durch den Tann,
den Vater nicht wecken.
Und als er kam zur Felsenwand,
da sprach der Ries' mit Lachen:
„Was will denn dieser kleine Fant')
Pis solchem Rosse machen?
Sein Schwert ist zwier so lang als er,
dom Rosse zieht ihn schier der Speer,
der Schild will ihn erdrücken."
U. Jung Roland rief: „Wohlauf zum
Dich reuet noch dein Necken; [(Streit!
hab' ich die Tartsche-) lang und breit,
kann sie mich besser decken;
Osn kleiner Mann, ein großes Pferd,
rin kurzer Arm, ein langes Schwert,
wuß eins dem andern helfen."
12. Der Riese mit der Stange schlug,
auslangend in die Weite,
Jung Roland schwenkte schnell genug
sein Roß noch auf die Seite.
Die Lanz' er auf den Riesen schwang,
doch von dem Wunderschilde sprang
auf Roland sie zurücke.
18. Jung Roland nahm in großer Hast
das Schwert in beide Hände,'
der Riese nach dein seinen faßt,
er war zu unbehende;
mit flinkem Hiebe schlug Roland
ihn unterm Schild die linke Hand,
daß Hand und Schild entrollten.
14. Dem Riesen schwand der Mut dahin,
wie ihm der Schild entrissen,
das Kleinod, das ihm Kraft verlieh'»,
nmßt' er niit Schmerzen missen.
Zwar lief er gleich dem Schilde nach,
doch Roland in das Knie ihn stach,
daß er zu Boden stürzte.
15. Roland ihn bei den Haaren griff,
hieb ihm das Haupt herunter,
ein großer Strom von Blute lief
ins tiefe Thal hinunter;
und aus des Toten Schild hernach
Roland das lichte Kleinod brach,
und freute sich am Glanze.
16. Dann barg er's unterm Kleide gut
und ging zu einer Quelle,
da wusch er sich von Staub und Blut
Gewand und Waffen helle.
Zurücke ritt der jung' Roland
dahin, wo er den Vater fand
noch schlafend bei der Eiche.
17. Er legt sich an des Vaters Seit',
vom Schlafe selbst bezwungen,
bis in der kühlen Abendzeit
Herr Milon aufgesprungen:
„Wach auf, >vach auf, mein Sohn Roland!
Nimm Schild und Lanze schnell zur Hand,
daß wir den Riesen suchen!"
18. Sie stiegen auf und eilten sehr,
zil schweifen in die Wilde,
Roland ritt hinterm Vater her
mit dessen Speer und Schilde.
Sie kamen bald zu jener Stätt',
wo Roland jüngst gestritten hätt',
der Niese lag im Blute.
, ') Der Fant — junger Mensch, besonders ein flatterhafter, ndd. fent (vom
[stt. infans, span, infinite, Knabe, Knecht, Fußsoldat, daher die Infanterie).
) Die Tartsche — kleiner, länglich runder, mit Leder überzogener Schild.
Die Wen im Spiegel. II. N. 0. 9