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als jährigem Aufenthalte mied er wiederum Rom und wendete sich, in
Begleitung seines Schützlings Atterbom, eines schwedischen Lyrikers, nach
Wien, wo er Dorotheens Gemahl Friedrich v. Schlegel sah und von
Joseph v. Hammer-Purgstall auf die Litteratur des Orients hingewiesen
ward. Von hier erhielt das Leben und Dichten des nun schon Dreiund-
dreißigjährigen einen neuen, gewaltigen Inhalt.
In das Vaterhaus zu Ebern heimgekehrt, nahm er das Studium des
Persischen, Indischen und Arabischen mit der ganzen Empfänglichkeit seines
wunderbaren Sprachsinnes auf; bald ließ er sich in Koburg. nieder, um
der dortigen nicht unbedeutenden Bibliothek näher zu sein. Wie ihm
alles zur Poesie wurde, so auch seine Studien: in den „östlichen Rosen"
singt er Rosen und Wein nach dem Vorbilde des Persers Alhafis und
umfaßt, einem indischen Weisen gleich, Gott, Welt und Schicksal in
der „Weisheit des Brahmanen". Das Schönste und Geschmackvollste
aus den morgenländischen Litteraturen gewann er für Deutschland
durch wahrhaft poetische Übertragungen, wie uns Herder den Cid, Voß
den Homer, Schlegel den Shakespeare gewannen, Goethe den Reineke
wiedergewann. Die prächtigen Landstreicher-Geschichten des arabischen
Hariri aus Basra besitzen wir durch ihn in den „Makamen"; die lieblichste
Episode aus dem Sanskrit-Epos von Mahabharata in „Ral und Da-
majanti"; aus dem persischen Heldenbuche des Firdusi den Sang von
„Rostem und Suhrab"; uralte Volkslieder Chinas im „Schi-king"; per¬
sische und arabische Lieder in seinem Buche „Erbauliches und Beschau¬
liches aus dem Morgenlande"; indische Mythen und Parabeln in den
„Brahmanischen Erzählungen"; im „Amrilkais" die Dichtungen dieses
arabischen Prinzen; in der „Hamasa" die ältesten Volkslieder Arabiens.
Aedes dieser Werke begleiteten überdies eingehende Erläuterungen, die
den gründlichen Sprachforscher zeigen, wie die Verse den genial an¬
eignenden Dichter. Schon 1826 wandte König Ludwig I. von Bayern
dem ausgezeichneten Gelehrten eine Professur der orientalischen Sprachen
in Erlangen zu, welche Rückert, der sich 1821 (26. Dezbr.) mit Luise
Winthaus zu Koburg verheiratet hatte, um seiner wachsenden Familie
willen gern — im Herzen ungern — annahm; sein Genius, der in den
duftigen Sträußen des „Liederfrühlings" noch einmal seine ganze fast
weibliche Zartheit enthüllt hatte, fühlte jedes Band als eine quälende
Fessel; Kollegien hat Rückert übrigens dort nicht viele gelesen. Von
Erlangen zog ihn (1841) Friedrich Wilhelm IV. in gleicher Stellung nach
Berlin; Rückerts Zögern überwanden zuletzt die ehrenvollen und höchst
vorteilhaften Bedingungen: er ward Geheimrat, erhielt 3000 Thlr. Gehalt
und die Vergünstigung, nur des Winters Vorlesungen halten zu müssen.
Diese Bedingungen gewährten ihm die Möglichkeit, das seinem Schwieger¬
vater abgekaufte Gut Reuseß (nördlich Koburg) nicht allein in seinem