Full text: Elsaß-Lothringisches Schul-Lesebuch (Oberstufe, [Schülerbd.])

218 
denn die Großmutter hängt allerlei durchnäßte Kleider um mich herum; die 
verbreiten einen widerlichen Dunst und verpesten die Luft. 
Vor Zeiten stand ich in der Schlafstube eines vornehmen Herrn, aber da 
hätte ich nahezu vier Personen ums Leben gebracht, einen Vater, eine Mutter 
und zwei kleine Kinder. Gleich sollte ich wegen meiner Bosheit zum alten Eisen 
geworfen werden; da kam noch zur rechten Zeit der Großvater und sagte: „Mit 
Verlaub, gnädiger Herr, daran seid Ihr selbst schuld; gebt mir nur den Ofen, 
der soll mich nicht töten, sondern hübsch warm halten." 
„Aber wie war's doch mit dem Töten?" unterbrach ich den Alten. 
„Ach, mit dem Töten!" antwortete er, und die rote Flamme schlug ihm 
vor Übermut aus dem schwarzen Leibe. „Ich töte keinen Menschen, wenn ich 
nur vorsichtig behandelt werde, und verbrenne auch keinen, wenn man mir nicht 
zu nahe kommt! Aber Luft muß ich haben zum Einatmen unten durch den 
Nost und zum Ausatmen durch die Ofenröhre und den Schornstein, sonst werde 
ich verdrießlich und treibe den giftigen Kohlendunst und die rauchende Feuer¬ 
flamme in das Zimmer hinein. Der vornehme Herr wollte mir, als er zu Bette 
ging, das Ausatmen verwehren; er schloß deshalb den Schieber in der Ofen¬ 
röhre, betete sein Abendgebet und legte sich ganz unbesorgt zur Ruhe. Aber 
wart, du sollst es büßen, dachte ich; du brst gesund und brauchtest deshalb gar 
keinen brennenden Ofen im Schlafzimmer; du bist auch ein vernünftiger Mann 
und solltest daher wenigstens den Schieber offenlassen. Über Nacht strömten aus 
allen Nissen und Fugen meines gebrechlichen Leibes die giftigen Feuergase, die 
wegen des verschlossenen Schiebers nicht durch den Schornstein entweichen 
konnten, in das Schlafzimmer. Und als am Morgen das Dienstmädchen zum 
Aufstehen klopfte, gab niemand Antwort, so daß die Türe gewaltsam geöffnet 
werden mußte. Da drang ein betäubender Dunst aus dem Zimmer, und alle 
Personen lagen wie tot in ihren Betten. Das Mädchen stieß einen Schreckens- 
ruf aus, dann öffnete es schnell alle Fenster und schickte zum Arzte. Dieser 
konnte die Eltern zwar noch vom Tote erretten, aber die Kinder waren schon 
vollständig erstickt, so daß alle Bemühungen vergeblich waren. Sage selbst", so 
schloß der Ofen seine Erzählung, „wer die Schuld trug, der vernünftige Mensch 
oder der dumme Ofen?" " Nach H. H«rou>. 
219.. Vom Tabalrauchen. 
Vor einigen hundert Jahren kannte man in unserem Vaterlande den 
Tabak ebensowenig wie den Kaffee und die Kartoffeln. Wie sich aber im 
Laufe der Zeit die Gewohnheit des Rauchens von Amerika aus über die 
ganze Welt verbreitet hat, so ist auch die Tabakpflanze selbst von Amerika 
her fast in alle Welt gekommen und mit Fleiß angebaut worden. Von dem 
ersten Gebrauch des Tabaks in Europa ließen sich viele wunderliche Ge¬ 
schichten erzählen. Ich will nur berichten, daß man die rauchenden Neger¬ 
sklaven anfangs für leibhaftige Feueresser hielt und daß manche Behörden 
das Tabakrauchen aufs strengste verboten. In Rußland galt sogar eine
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.