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8. Wie Kaiser Karl Schulvisitation hielt.
Als Kaiser Karl zur Schule kam
und wollte visitieren,
da prüft’ er scharf das kleine Volk,
ihr Schreiben, Buchstabieren,
ihr Vaterunser, Einmaleins
und was man lernte mehr;
zum Schlüsse rief die Majestät
die Schüler um sich her.
Gleichwie der Hirte schied er da
die Böcke von den Schafen;
zu seiner Rechten hieß er stehn
die Fleißigen, die Braven.
Da stand im groben Linnenkleid
manch schlichtes Bürgerskind,
manch Söhnlein eines armen Knechts
von Kaisers Hofgesind’.
Dann rief er mit gestrengem Blick
die Faulen her, die Böcke,
und wies sie mit erhobner Hand
zur Linken, in die Ecke.
Da stand im pelzverbrämten Rock
manch feiner Herrensohn,
manch ungezognes Mutterkind,
manch junger Reichsbaron.
Da sprach nach rechts der Kaiser mild:
»Habt Dank, ihr frommen Knaben!
Ihr sollt an mir den gnäd’gen Herrn,
den güt’gen Vater haben,
und ob ihr armer Leute Kind
und Knechtesöhne seid,
in meinem Reiche gilt der Mann
und nicht des Mannes Kleid.“