§ 4. Die germanischen Mittelmeerreiche. 19
b. National. Schroff standen sich anfangs Romanen und Germanen Gegensatz der
gegenüber. Jene verachteten den Fremdling wegen seiner „barbarischen", aSöIfer'
bäuerlichen Art und Weise und haßten in ihm den Ketzer; dieser blickte im
Vollgefühl seiner kriegerischen Kraft geringschätzig auf das unkriegerische
Geschlecht der Südländer herab. Aber die Zahl der Germanen war Zu geringe An-
viel zu gering. Weit mehr als unter jenen hatte das Schwert unter ia^mboncn@CI=
ihnen gewütet, die, fast stets des Gefühls nationaler Zusammengehörigkeit
bar, nur zu oft gegen einander im Felde lagen. Sippenweise in den ein-
zelnen Landschaften verteilt, verschwanden sie beinahe unter den Einheimischen,
deren Sprache sie, die wenigen, schließlich annehmen mußten, um sich ver-
ständigen zu können. Dazu kam, daß in den heißen, regenarmen Sommern Schädigung
meist Körperstärke und Willenskraft der nordischen Männer erschlaffte. durch das Klima.
Die Landteilung ging der Art vor sich, daß sie ein Drittel (oder zwei Art der Land-
Drittel) des Ackerlandes erhielten, wozu ein Teil vom Haus, Hof und Garten teitun9'
kam. Die Staatsgüter fielen dem Könige zu, der einen Teil davon an
seine Gefolgsleute und Hofbeamte austhat, wodurch ein germanischer Dienst- Der neue germa-
adel und Großgrundbesitz entstand. Dieser bildete mit den romanischen un?G?owund!
vornehmen Familien den ersten Stand. Der wirtschaftlichen Überlegenheit besitz,
dieser Großgrundbesitzer erlag die Masse der germanischen Gemeinfreien, die Niedergang
zu abhängigen Leuten herabgedrückt wurden und im Laufe der Zeit mjtber ®emeinfreien-
den ärmeren Provinzbewohnern zu einer Schicht verschmolzen. Indem nun
auch das Königtum dem großgrundbesitzenden Adel erlag1), innerhalb des- übergewicht
selben aber der stolzere, gebildetere, zahlreichere romanische Teil denbe8 rSgi,d,en
germanischen bei Seite drängte, war schließlich, noch ehe diese Reiche
durch die Wucht feindlicher Angriffe von außen her zusammenbrachen, die
Eroberung der Mittelmeerländer mit all ihren Mühen und Verlusten für Wert der
das Germanentum vergeblich gewesen. Dagegen hatte sie infolge der West.
Mischung der verschiedenen Völker eine Verbesserung des südlichen Menschen- ©emanentum,
schlages zur Folge, der nun unter den Namen der Spanier, Portugiesen, für das
Italiener und Franzosen wieder zu Kraft und Blüte kam und große gefchicht- 9tomanentum-
liche Bedeutung erlangte. Die lateinischen Volkssprachen aber entwickelten
sich zu den romanischen Sprachen.
c. Wirtschaftlich. Der Verlust, den die alte Kulturwelt an äußeren Rückgang.
Werten durch den Einbruch der Germanen erlitten hatte, war ungeheuer.
Schier unersetzlich war der Schaden an Gütern. Das Edelmetall war um Verluste
das Jahr 500 in Italien so knapp geworden, daß die Preise und die „®ü/er"'
Löhne um zwei Drittel im Verhältnis zur Zeit der Blüte des Kaisertums Preist Löhne
fielen. Gewerbe, Handel und Verkehr gingen so unaufhaltsam rückwärts faKen' ®etoer6e
daß die fast ausschließliche Beschäftigung der gesamten Bevölkerung wieder "tij™ wt"*
die Landwirtschaft, und die Geldwirtschaft von der Naturalwirtschaft Rückfall
abgelöst Wurde. in die SRatural-
d. Geistig. Die große Rücksichtnahme, welche die fremden Eroberer mxtmt
den Römern erwiesen, verhinderte ein Erlöschen der alten geistigen Kultur. Geisteskultur.
Mit Eifer und Verständnis traten die Germanen, besonders die Goten, in Anteil der Ger-
diese ein. Amalaswintha, Theoderichs Tochter, wurde darüber fast zu manetL
1) Vgl. die Zustände im alten Hellas.
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