Full text: [Teil 5, [Schülerbd.]] ([Teil 5, [Schülerbd.]])

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Zu dem Gesichtsschmuck der TättowierungZ gesellt sich Bemalung nüt 
Graphit?), dem Wilden ebenso natürlich als uns einst Puder und 
Schminke. Sie erhöht nach der Meinung der Tschuktschen die männliche 
Würde. Dagegen zeichnen sich die Frauen durch künstliches Haargeflecht 
aus, das hier, wie bei den Chinesinnen, eine Art Helm bildet. 
13. Die an Völkern des Südens oft so komisch hervortretende 
Eitelkeit bleibt ihrem durch Arbeit abgehärteten und auf beständigen 
Kampf gestellten Wesen fremd. Der Spiegel macht keinen Eindruck auf 
sie; ja nach Kotzebues3) Bemerkung fliehen ihn die nordischen Stämme 
meist in eben dem Grade, in welchem die Südländer ihn suchen. Wohl 
aber ergötzen sie sich an dem rohen Rhythmus ihrer Tänze, und bei 
Festzeiten erfüllt Gesang den Strand oder das Zelt. Man sieht, auch 
der Sohn dieser eisernen Natur hat nicht ganz der Lust des Lebens 
entsagt. Wie er gespannt und bewundernd den Berichten des Fremdlings 
horcht, so erzählt er ebenso gern als lebendig, und auch hier ist das 
Lachen, wie Rabelais^) sagt, das eigentümliche Recht des Menschen. Die 
nächsten Verwandten dieser fröhlichen Nordländer, die armen Bewohner 
der Aleuten, haben es freilich längst verlernt. Die Sprache der Tschuktschen 
ist von äußerst künstlichem Bau und entwickelt einen ungewöhnlichen 
Reichtum von Mundarten. Oft wird schon von einer Niederlassung zur 
andern eine Sprachgrenze gefunden. Ja, merkwürdig genug unterscheiden 
sich selbst innerhalb ein und derselben Gemeinde Männer und Frauen 
durch verschiedene Aussprache gewisser Wörter, — eine Erscheinung, die 
uns auch im Grönländischen begegnet. 
14. Ist dies alles wohl geeignet, unsere teilnehmende Aufmerksamkeit 
zu erwecken, so steigert sich diese noch dem Charakter der Tschuktschen 
gegenüber. Allerdings fehlt es hier nicht an tiefen Schatten. Züge der 
Leidenschaft und Grausamkeit erinnern an jene Entartung der Menschen¬ 
natur, von welcher die Entdecker der neuen Welt berichteten. Zuvörderst 
verklagen fast alle Seefahrer ohne Ausnahme die Tschuktschen als diebisch, 
und es ist wahr, daß sie mit dreister, geschickter Hand sich das Besitztum 
des fremden Ankömmlings zuzueignen suchen. Nur Gewalt, nicht Einsicht 
oder Scham hält sie endlich zurück. Aber den rohen Heiden nach dem 
Maße unserer Bildung und Gesittung zu beurteilen, würde jedenfalls 
eine Ungerechtigkeit sein. Es würde eine doppelte Ungerechtigkeit sein 
unter einer Zone, wo Armut ein größeres Elend ist als sonst auf der 
Erde. Und haben es denn nicht europäische Küsteuvölker selbst noch im 
neunzehnten Jahrhundert mit den christlichen Anschauungen vereinbar- 
gesunden, an dem Gute gescheiterter Schiffe Eigentumsrecht zu üben, ja, 
im Gebete selbst den Himmel „um gesegneten Strand" anzurufen! 
U Tättowieren, durch Einschnitte in den Körper diesen mit farbigen 
Zeichen versehen. — 2) Graphit, ein glänzend schwarzes Mineral, reiner 
Kohlenstoff, u. a. zur Fabrikation der Bleistifte und Schmelztiegel gebraucht. 
Reiche Lager davon in Ostsibirien. — 3) Otto von Kotzebue, ein Sohn 
des 1819 in Mannheim ermordeten Dichters August v. K., geb. 1787 zu 
Reval, gest. daselbst 1846, machte mehrere Reisen um die Welt. — 
4) Franyois Rabelais, ein berühmter französischer Satiriker, geb. 1483 
zn Chinon (Poitou), gest. 1563 als Pfarrer zu Meudon.
	        
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