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bezwinger. Und alle Welt hält ihn auch wirklich lieb und
wert und schätzt ihn hoch und läßt ihn eine wichtige Rolle
im Volksleben spielen.
3. Vom Hausgiebel herab flattert das Vögelchen auf einen
Zaunpfahl dicht vor uns, begrüßt uns noch einmal mit seinem
fröhlichen Liedchen und schlüpft dann behend ins Gebüsch.
Hier erwartet ihn sein Weibchen, und die beiden treu und
zärtlich fürs ganze Leben verbundenen Gatten tummeln sich
nun in regster Emsigkeit durch Zäune und Hecken, durch
Gesträuch und Zweige, von einem Garten in den andern. Und
sieh, nicht ihr so ungewöhnlicher Gesang, ihr allerliebstes
munteres Wesen allein ist es, das sie den Menschen lieb und
teuer machen muß, — nein, sie haben auch für die ganze
Natur und somit für uns ebenfalls eine hohe Wichtigkeit.
Unermüdlich und unersättlich suchen sie die Bäume und
Sträucher ab nach den Eiern, Larven und Puppen der kleinsten
und allerschädlichsten Kerbtiere. Mit ihren dünnen, zarten
Schnäbelchen wissen sie in die engsten und verborgensten
Ritzen zu dringen und auch die verstocktesten winzigen Übel-
thäter hervorzustöbern und zu vertilgen.
4. Wenn dann im Frühling ein linderer Hauch weht, alle
die weichlicheren Brüder von der ferneren Reise zurückkehren,
zartgrüne Blättchen und bunte Blüten sich entfalten, und alles
Leben, Freude, Liebe und Wonne atmet, — dann rüsten sich
auch Zaunkönig und sein Weibchen in der Sorge für ihre
Nachkommenschaft. In irgend einem versteckten, aber behag¬
lichen Winkel des Gartens, zwischen den Latten eines Zaunes,
unter ausgehöhltem Rasen oder an einem ähnlichen passenden
Orte wird aus Moos, Halmen udgl. ein sehr großes, gewölbtes
Nest mit einem seitlichen Eingang erbaut. Inwendig ist es
mit den weichsten Stoffen, Federn, Haaren usw., aus¬
gepolstert und auf das zierlichste geglättet. Und in diese
weiche, wohlige Höhlung legt das Weibchen sechs bis zwölf
Eierchen.
5. Wer die Gelegenheit hat, solch ein reizendes kleines
Kunstwerk zu beobachten, der versäume sie ja nicht. Der
bewundernswert kunstvolle Bau, die allerliebsten, rotgepunkteten
Eier, dann gar das ganze Nest voll sperrender Schnäbelchen
und dazu die treue Liebe und Sorgfalt der Alten für einander
und für die Brut, — wahrlich, wer nur eines Funkens von
Gefühl fähig ist, wird diese kleine Familie innig in sein Herz
schließen. Dazu kommt noch, daß unser Vogel dem Menschen
stets arglos und zutraulich naht. Wenn wir uns nur ruhig
verhalten, die freilich leicht um ihre Lieblinge besorgten Alten
nicht scheuchen und erschrecken, so dürfen wir ihr Nest dreist
besehen und ihr Thun und Treiben beobachten. In seinem
ganzen Wesen ist der Zaunkönig so harmlos, daß er sich
durch die Nähe eines ruhigen Menschen gar nicht stören läßt,