Full text: [Teil 4 = 5. Schulj., [Schülerbd.]] ([Teil 4 = 5. Schulj., [Schülerbd.]])

vor. „Der Frankenkönig hat mir erlaubt," sprach er, „überall in seinem 
Lande herumzureisen und die Göttereichen niederzuhauen." Es war 
ganz düster geworden; der Himmel war schwarz, und der Wind 
rauschte in den Blättern der Eiche. Jetzt zuckte ein Blitz, und der 
Donner krachte und verhallte knatternd in einzelnen Schlägen über 
den Wäldern. „Laßt den Fremden tun, was er will," sprach die 
Waldfrau und warf einen Blick empor zur schwarzen Wolkenwand; 
„unser Donnergott ist stärker als sein Gott, er wird den heiligen 
Baum schützen und den Fremden beim ersten Streich niederschmet¬ 
tern. Hört ihr seinen Donner?" 
Jetzt nahmen Winfried und ein Mönch die Beile und stellten 
sich unter den Baum. Winfried holte mit der Axt aus und tat den 
ersten Hieb gegen den riesigen Stamm; das Holz krachte, und die 
Splitter flogen. Die Heiden schauten bald auf den Baum, bald nach 
dem Himmel. „Donnergott, schau herab, wie der fremde Mann frevelt 
an deinem heiligen Baume!" sprach die Waldfrau, und die Tränen 
standen ihr in den Augen. Wie im Takte fielen von links und rechts 
die Hiebe; dann kreischte die Säge und fraß sich mit den Zähnen 
immer tiefer ins Holz, bis die mächtige Krone sich nach der Seite 
neigte. „Tretet weg!" rief Winfried und ging zur Seite. Ein Sturm 
kam; zuerst bewegte er drüben auf den Bergen die Waldwipfel; 
dann wirbelte er unten im Tale den Staub auf; jetzt kam er heran¬ 
gebraust, packte die Eiche und schüttelte sie. Der dicke, innen hohle 
Stamm krachte, schwankte nach der Seite und barst im Fallen in 
vier große Stücke auseinander. Dumpf schlug der Riese am Boden 
auf und bedeckte mit seinen Zweigen weithin den Platz. Da froh¬ 
lockten die Christen: „Unser Gott ist stärker als euer Donnergott!" Große 
Tropfen fielen nieder, und im strömenden Regen kehrten alle heim. 
Am andern Tage stieg Winfried mit seinen Mönchen und den 
Christen des Dorfes wieder den Berg hinauf. Aus dem Holze des 
Baumes zimmerten sie Balken und bauten ein hölzernes Kirchlein. 
An den Abenden schritt Winfried im Dorfe von Haus zu Haus, be¬ 
suchte die kranken Christen und Heiden und erzählte halbe Nächte 
lang von Jesus. An der Stelle, wo die Quelle ins Kirchlein strömte, 
grub er das Taufbecken; er stellte das Bild des heiligen Petrus auf 
den Altar und hängte ein Glöcklein in den niedrigen Turm. An 
einem Sonntage schallte eine neue, bisher unbekannte Stimme hinab 
ins Tal. In langem Zuge stiegen die Leute des Dorfes hinauf zum 
Kirchlein, wo die Glocke läutete; alle waren in Festtagskleidung, 
und die Männer legten friedlich vor der Türe die Waffen nieder. 
Vorne am Altare stand Winfried in seidenen Gewändern, die hohe 
Bischofsmütze auf dem Haupte und den gekrümmten Stab in der
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.