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Jungen ausgegangen bin. Als ich vor Jahren einen von ihnen traf — es
war gerade der Samtkittel —, sagte er: „Wenn ich 100 Jahr alt werde,
vergesse ich jenen Abend nicht. Da hab' ich zum erstenmal eine Ahnung
bekommen, wie wahr das Wort ist: Geben ist seliger denn Nehmen.“
159. Aus Luthers Tischreden.
Karl Stöber.
enn der freundliche Leser auf seiner Reise von Nürnberg
aus, der Heerstraße nach, immer gerade gen Süden wan—
dert, kommt er sogleich jenseit der Altmühl in ein kurzes
Seitental derselben. Ein Hungerbach, den die Landleute
lieber leer als voll sehen, weil trockene Jahrgänge mehr für
die Scheune liefern als nasse, hat darin sein Bett, und ein hoher Berg
schließt es gegen Mittag. Rechts von der Straße, die an des Berges
Seite hinauf liegt, steht ein Bauernhof mitten unter den Ackern und
Wiesen, die dazu gehören. Gewaltige Apfelbäume und Nußbäume
legen zum Teil ihre Arme auf die Schieferdächer des Wohnhauses und
der Scheune. Eine Quelle hinter dem Garten, die in eine Rinne gefaßt
ist, hält nicht nur den eichenen Tränktrog für das Vieh, sondern auch
eine kleine Pfütze für einige Frösche und Unken immer voll.
Dieses Bauerngut stand schon 1518, und wie es heute, wo der Er—
zähler diese Zeilen niederschreibt, darin hergeht, gerade so ging es viel—
leicht damals zu, als es am vierzehnten Trinitatissonntage jenes Jahres
Abend werden wollte. Der Bauer, die beiden Hände unter dem breiten,
schwarzen Hosenträger, lehnte unter der Haustüre, sein Weib saß auf der
Bank, mit Flickwerk beschäftigt, und seine drei Kinder, zwei Knaben und
ein Mädchen, trieben sich im Garten umher und stießen mitunter an die
Bäume, um die blauen Pflaumen zum Fallen zu bringen. Dazwischen
löste sich ohne ihr Zutun ein großer Apfel von seinem Zweige, tat einen
dumpfen Fall in das Gras und wurde dann das Ziel ihres Wettlaufs.
In diesen lieblichen Spielen, die ihnen der freigebige Herbst bereitet
hatte, wurden die Kinder durch zwei Fremdlinge unterbrochen, die von
dem gewöhnlichen Wege abgewichen waren und auf den Bauernhof zu—
kamen. Es war ein Augustinermönch auf seinem Pferde und ein Mann
aus dem Laienstande, der vorausging und das müde Roß am Zügel
mehr hinter sich nachzog als führte. Bettelmönche zu Fuß, die für
ihre Klöster die jährlichen Gaben der Landleute in Hülsenfrüchten, Eiern,
Schmalz und dergleichen einsammelten, hatten die Kinder schon oft ge—
sehen; aber ein Klosterbruder dieses Ordens zu Pferd war ihnen ein