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Anhang.
I. Religiöses und sittliches Leben.
159. Werktätige Christenliebe.
Auf einem Wagen fuhr ich einem fernen Dorfe in Amts¬
geschäften zu. Mit meinen! Fuhrmanne km'ipfte ich ein Gespräch an;
ich fragte ihn nach seinen Kindern. Er wußte allerlei Günstiges
zu Gerichten, nur mit seinem Ältesten war er nicht zufrieden. „Der
bringt's im ganzen Leben zu nichts!" rief er ärgerlich. „Warum
denn nicht?" fragte ich. „Ist er leichtsinnig oder schlecht?" „Das
nicht!" rief der Vater. „Eher zu gut! Er läßt sich die Butter
vom Brote nehmen, hilft anderen und vergißt sich selbst!" „So
danken Sie doch Gott für ein solches Kind!" rief ich aus. „Wer
sich vergißt und andern hilft, ist der beste Christ und glücklichste
Mensch!" „Das ist aber dumm und paßt nicht in unsere Zeit!"
erwiderte mein Fuhrmann verdrießlich. „Jeder denkt an sich und
sucht seinen Vorteil, so will's heute die Welt!" „Das sei Gott ge¬
klagt!" fuhr ich fort. „Die S e l b st s u ch t ist der Fluch unserer
Zeit. Sie hetzt die Menschen rastlos umher und hetzt sie zusammen
wie wilde Tiere. Die Liebe zu Gott und den Brüdern aber ist
die heilige, heimliche Macht, die die Welt im Innersten zusammen¬
hält und den Fluch in Segen wandelt. Sie geht leise wie ein stiller
Engel durch die zerrissene Menschheit, heilt alle Wunden und lindert
alles Elend." „Man merkt aber wenig davon!" meinte der Mann.
„Wenig?" fragte ich. „Sehen Sie sich nur recht um! Sie begleitet
und geleitet die Menschen von der Wiege bis zum Grabe. Haben
Sie schon von der i n n e r e n M i s s i o n gehört?" „M i s s i o n?"
fragte er. „Da werden jawohl die Heiden bekehrt!" „Das ist die
äußere Mission!" antwortete ich. „Die innere will alle Wunden
und Schäden in der Christenheit heilen, damit das Christentum bei
allen Tat und Wahrheit, Liebe und Leben werde. Die Liebe ist
die Seele der inneren M i s s i o n."
„Was hat denn diese Liebe Großes gewirkt?" fragte mein
Fuhrmann. Ich antwortete: „Sie hat ein Netz von Wohl-
sahrtseinrichtungen über die arme, leidende Menschheit
gebreitet. Schon die zarte Jugend sucht sie vor Verkümmerung zu
hüten, Jünglinge und Jungfrauen auf Gottes Wegen zu erhalten,
Verlorene zu retten, Gefährdete zu bewahren, Kranke und Gebrech¬
liche zu Pflegen, Arme und Elende zu beglücken und Männer wie
Deutsche Jugend, v. ^