Full text: Deutsche Jugend ([Teil 5 = 6. - 8. Schulj., [Schülerbd.]])

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„Noch schlimmer als Waisen sind Kinder von Verbrechern, 
Vagabunden, Siechen und Irrsinnigen dran, die ohne guten Fa- 
milleneinfluß aufwachsen und oft verwahrlosen. Für diese hat 
man Rettungshäus er gegründet, um sie zu brauchbaren, 
glücklichen Menschen zu erziehen. Das erste gründete der große 
Kinderfreund Pestalozzi in der Schweiz zu Neuhof, später zu 
Stanz 1767. Durch Arbeit und Liebe sollten die gefährdeten und 
verwahrlosten Kinder gerettet werden. Die größte Stiftung dieser 
Art ist das Rauhe H ausin Horn bei Hamburg; sein Grün¬ 
der H einrichWichern (f 1881) wird der „Vater der innern 
Mission" genannt. Die Kinder werden in Familiengruppen unter¬ 
gebracht, nach Alter und Fähigkeiten unterrichtet, für jede Art von 
Verlorenen passende Rettungswege versucht und die „Brüder" für 
diese Art von Erziehung ausgerüstet. Nach dem Muster des 
„Rauhen Hauses" sind 400 solcher Anstalten in Deutschland ent¬ 
standen. 
„Schwachsinnige werden in besonderen Anstalten, 
S ch w a ch b e f ä h i g t e in besonderen Klassen, Stotterer 
in Heilkursen unterwiesen, müßige und gefährdete Schüler in 
S ch ü l e r h o r t e n beschäftigt und behütet. Um die Tiere vor 
Quälereien und das Herz vor Grausamkeiten zu behüten, sind 
Tierschutzvereine entstanden. 
„Viele Kinder der Großstädte sehen selten Feld und Wald, 
Wiese und Wasser. In dumpfen Wohnungen siechen sie blaß und 
mager dahin und leiden häufig an Skrofeln und anderen Krank¬ 
heiten. Da regte 1876 der Pfarrer B i o n in Zürich es an, solche 
Kinder im Sommer in Ferienkolonien, in Sol- oder 
Seebäder zu schicken. Hier fühlen sich die armen Kinder unter 
der Fürsorge ihrer Lehrer unendlich glücklich und kehren meist ge¬ 
kräftigt, ja geheilt zurück. Taub st u m m e werden in besonderen 
Anstalten zum Verkehr mit ihren Mitmenschen und zum Erwerbe 
ihres Brotes ausgebildet, die Blinden in Blindenanstalten 
für das Gesellschaftsleben und den Erwerb ausgerüstet. Auch der 
Erziehung von Blödsinnigen haben viele warmherzige 
Menschenfreunde ihr Leben gewidmet und in Deutschland über 
30 Anstalten für sie gegründet. Meist sind dieselben auch Zufluchts¬ 
stätten für die armen Fallsüchtigen oder E p i l e p t i s ch e n. 
Die großartigste Anstalt für diese Unglücklichen ist Bethel bei 
Bielefeld. Der Schöpfer und Leiter dieser segensreichen An¬ 
stalten, die wohl in 70 Niederlassungen 1600 Insassen beherbergen, 
ist der unermüdliche Pastor Dr. von B o d e l s ch w i n g h." 
„Das ist ja unglaublich, was alles für die Jugend geschieht, 
um sie vor Gefahren zu schützen und aus allen Übeln zu erlösen!" 
rief mein Fahrgenosse. 
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