3. Du blickst durchs Sterngefunkel
hier iu mein Kämmerlein;
zu tief ist dir kein Dunkel,
du leuchtest doch hinein.
4. Dein Blick voll Liebe scheinet
auf uns mit Trost und Ruh,
und wo ein Auge weinet,
drückst du es leise zu. H. Kletkc.
75. Die Moosrose.
Der Engel, der die Blumen verpflegt und in stiller Nacht den
Tau darauf träufelt, schlummerte an einem Frühlingstage im Schatten
eines Rosenstrauchs.
Und als er erwachte, da sprach er mit freundlichem Antlitz:
«Lieblichstes meiner Kinder, ich danke dir für deinen erquicken¬
den Wohlgeruch und für deinen kühlenden Schatten. Könntest du
dir noch etwas erbitten, wie gern würde ich es dir gewähren!»
«So schmücke mich mit einem neuen Reize!» — flehte darauf
der Geist des Rosenstrauchs.
Und der Blumenengel schmückte die Königin der Blumen
mit einfachem Moose.
Lieblich stand sie da in bescheidenem Schmuck, die Moosrose,
die schönste ihres Geschlechts. F. Krummacher.
76. Der Seidenspinner.
Au den Zweig des Maulbeerbaumes legt der Seidenschmetterling,
seine Eier. Diese sind noch nicht so groß als der Kops einer Stecknadel.
Die Sonne brütet sie aus. Wenige Tage genügen, um in dem erwärmten
Ei ein kleines Räupchen zu entwickeln. Es ist so klein, daß es im win¬
zigen Ei hinlänglich Platz hat. Jetzt aber wird ihm die Zeit zu lang,
der Hunger plagt es, der Aufenthalt im engen Raume gefällt ihm nicht
mehr, es sehnt sich hinaus!
Zwei tüchtige Freßzangen sind ihm verliehen, mit ihnen zernagt es
die Schale. Zum erstenmal erblickt es das Licht der Welt, emsig beißt
es weiter, bis das Loch sv groß ist, daß das kleine schwarze Räupchen
herausschlüpfen kann. Nun streckt es sich und freut sich über den warmen
Sonnenschein, die angenehme Luft unb hauptsächlich übers grüne Maul¬
beerblatt. Es fühlt großen Hunger, und da es zwei Äuglein am Kopfe
hat und sechzehn Füße besitzt, so kriecht es ans das junge Blatt und hält
sein erstes Frühstück. Nun macht es Tag und Nacht nichts anderes, als
daß es frißt. Doch so fleißig es auch Blatt für Blatt vertilgt, der Maul-