Menschenwelt.
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IV. Das tropische Reich der Neuen Welt.
Ganz Süd- und Mittelamerika nebst Mexiko bis zur Mündung des Rio
Grande del Norte und den Antillen. Außer Hirsch und Laina fehlen die
Wiederkäuer; dagegen breitnasige Affen, blutsangende Fledermäuse, große
Katzenarten, kletternde Stachelschweine, Meerschweine, Zahnlücker, Beutelratten,
Faul- und Gürteltiere, letztere vier als Vertreter einer viel älteren Tier¬
periode. — Pfefferfresser, amerikanischer Strauß, Kolibri, Ara, Hokkohühner,
als Stellvertreter der Fasane. Gebiete:
1) Das brasilische; 2) das Gebiet derAnden(V); 3) das mittelamerikanische;
4) das Gebiet der Antillen. Die Inseln wurden abgetrennt, bevor die großen Raub¬
tiere der Neuzeit erschienen.
Verbreitung einiger Tierarten. Schimpanse: Ober-Guinea, Kongo-Gebiet bis
an den Tanganyika-See, jedoch nicht weit über das l. llfer des Stromes hinaus, nach S.
vordringend. Orang-Utan: S.O.-Sumatra, S.-Borneo. Löwe: Afrika ohne Ägypten,
asiatische Türkei ohne die Mittelmeerküsten, s. Iran, n.w. Vorderindien einschl. der
Wüste Thar. Tiger: Iran, S.-Asien ohne Arabien, aber einschl. Sumatra und Java,
China, Mandschurei, Jnner-Hochasien, Turan bis zum Aralsee und Kaspischen Meere.
Jaguar: Amerika vom Wendekr. des Steinbocks bis an die N.-Grenze Mexikos.
Einhöckriges Kamel: N.-Afrika und Arabien. Zweihöckriges Kamel: Jnner-
Hochasien, Turan und das ö. Vorderasien, neuerdings stark in Australien verbreitet.
Afrikanischer Elefant: s. Handelsgeographie S. 568 s. Indischer Elefant: Indien
mit Sumatra und Borneo6 Renntier: Amerika n. einer Querlinie von der Mündung
des Fraser [freier] nach derjenigen des St. Lorenz, N.W.- und N.-Skandinavien, Rußland
n. einer Grenze, die in Wellenlinien vom N.-Ende des Bottnischen Meerbusens über den
Baikál-See nach Sachalin läuft. In geschichtlicher Zeit ist seine Verbreitung in Europa
und Asien sehr zurückgegangen.
H. |)ie MenschemvelL^.
Die Lehre vom Menschen oder die Anthropologie beschäftigt sich mit dem
Menschen als Gattung (oder auch gegenüber der Ethnographie als Einzelwesen), mit den
allgemeinen Erscheinungen im körperlichen und seelischen Leben des Menschen und mit
seinen Tätigkeitsformen. Sie hat also zum Gegenstände den Knochenbau, die Haut¬
farbe, Gestalt und Farbe der Haare, die Verbreitung der Krankheiten, Religionsbräuche
und Formen der Gottesverehrung, Gestaltung des Familienlebens, sodann Bekleidung,
Schmuck, Waffen, Wohnung, Beschäftigung, Ernährung, Kannibalismus 3 usw. Die
Ethnographie (Völkerbeschreibung) lehrt die Abwandlung dieser Erscheinungen bei den
einzelnen Völkern. Das Gebiet dieser Wissenschaften ist sowohl die vorgeschichtliche (prä¬
historische) Forschung wie das Studium der lebenden Erdbewohner. Die mit der Anthro¬
pologie nahe verwandte Völkerkunde oder Ethnologie behandelt den Menschen als ge¬
selliges^ (soziales) Wesen und sucht allgemeine, soziale Gesetze; ihr Gebiet ist das Studium
des geistigen und des körperlichen Kulturbesitzes der Menschheit, und sie verfolgt als
höchstes Ziel die Erforschung des Zusammenhangs und der anthropologischen Beziehungen
zwischen den verschiedenen Stämmen und Völkern. Sie verfolgt z. B. den „Völker-
gedanken", der als unverwüstlicher Grundgedanke einer sittlichen Anschauung, einer Sage,
eines greifbaren Werkzeuges, einer Waffe durch die verschiedensten, räumlich weit von-
Auf Borneo soll er jüngst ausgestorben sein.
1 S. Hirts Bilderschatz, S. 38 ff. und Hirts Allgemeine Erdkunde in Bildern, Titelbild und
S. 25—26.
3 Der K annib alismus (abgeleitet von carnívora — Fleischfresser) wird gegliedert in den
Endo- und Exokannibalismus. Jener erstreckt sich auf Verwandte und Volksgenossen und tritt aus
als Zauber-, Verbrecher- und Jnvaliden-Verspeisung oder entspringt einfach der Gier nach Fleisch.
Diese ist vor allem der Beweggrund für den Exokannibalismus, für das Verzehren des erschlagenen
Feindes, doch treten auch andere Gründe ein, so die Annahme, daß man sich durch Verzehren des
Erschlagenen dessen Kräfte hier oder im Jenseits dienstbar mache.