Full text: Aus deutschen Lesebüchern (Bd. 2, [Schülerbd.])

Lessing: Der Besitzer des Bogens. 
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2. Rede-und Stilübung, a) Wiedergab e der Fabel mit v e r- 
ändertenAusdrücken: Ein furchtbarer Sturm hatte in einer schauer¬ 
lichen Novembernacht seine Gewalt an einem Jahrhunderte alten, maje- 
stätischen Eichbaume bewiesen. Da lag er entwurzelt und hingestreckt 
am Boden und eine große Anzahl kleinerer Bäume zerknickt unter ihm 
— Ein Fuchs, dessen Bau ganz in der Nähe war, erblickte die gefallene * 
Eiche, als der Tag nach dem Sturme graute. „Seht, welch ein Baum!" 
rief er aus. „Hätte ich doch nimmermehr geglaubt, daß er ein solcher 
Riese wäre!" b) Beweise, daß wie hier so auch beim Sturze großer 
Menschen viele kleinere Personen mit vernichtet werden! R. D. 
3. Der Besitzer des Bogens. 
Gotthold Ephraim Lesstng. Fabeln. Berlin 1759. S. 75. 
Ein Mann hatte einen trefflichen Bogen von Ebenholz^), mit dem er 
sehr weit mtb sehr sicher schoß, und den er ungemein wert hielt. Einst aber, 
als er ihn aufmerksam betrachtete, sprach er: „Ein wenig zu plumps) bist 
du doch! Alle deine Zierde ist die Glätte.3) Schade!" — „Doch dem ist abzu¬ 
helfen!"^) fiel ihm ein. „Ich will hingehen und den besten Künstler Bilder in 
den Bogen schnitzen lassen." — Er ging hin, und der Künstler schnitzte eine, 
ganze Jagd in den Bogens — und was hätte sich besser auf einen Bogen 
geschickt als eine Jagd? 
Der Mann war voller Freuden. „Du verdienst diese Zieraten, mein lieber 
Bogen." Indem will er ihn versuchen: er spannt, und der Bogen — zerbricht. 
I. Vorbereitung. 1. Zeit der Handlung: Vor Berthold Schwarz, 
ehe das Schießpulver erfunden war, als noch Bogen und Pfeil, Armbrust 
und Bolzen die unvollkommenen Schußwaffen der Jäger waren. 2. Ort 
der Handlung: Auf einem Edelhofe in der Nähe einer großen, kunst¬ 
reichen Stadt, in welcher geschickte Holzschnitzer wohnten. 3. Beschrei¬ 
bung des Bogens, des Pfeils und des Köchers unter Zuhilfenahme eines 
von den Kindern selbst gefertigten Bogens. 
II. Erläuterung. 1. Ebenholz ist ein fast schwarzes, sehr elastisches 
Holz von dem Ebenholzbaume, der namentlich in Ostindien und Afrika 
einheimisch ist. 2. plump — einfach. 3. Glätte — das glatte, blanke 
Ebenholz ist deine einzige Zierde. 4. Dem Mangel kann noch nachträg¬ 
lich abgeholfen werden. 5. Entweder mußte der Künstler das Bild in 
den Bogen einschneiden und vertiefen, oder aber, um das Bild erhaben 
zu gestalten, den Bogen schwächer machen. In beiden Fällen büßte er 
also an Kraft und Festigkeit ein. 
III. Vertiefung. 1. Grundgedanke: Einfachheit verleiht Dauer¬ 
haftigkeit. 2. Gliederung des Inhalts, a) Eigenschaften des ein¬ 
fachen, schlichten Bogens: Er schießt weit und sicher und ist daher 
sehr schätzenswert, b) Mutmaßlicher Mangel des Bogens: Er 
ist zu schmucklos und soll verziert werden, o) Der geschnitzte Bogen: 
aa) Das Bildnis ist ein Kunstwerk, bb) Es schickt sich vornehmlich für 
einen Jagdbogen, cc) Es erfreut den Jägersmann, ää) Beim ersten 
Spannen bricht der Bogen, d. h. er bekam einen Bruch, wurde also un¬ 
brauchbar. 3. Sprichwörter. Einfach, aber fest. Einfalt hat schöne
	        
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