Full text: Biographische Geschichtsbilder aus alter und neuer Zeit für den vorbereitenden geschichtlichen Unterricht (Quinta) (2)

Siegfried. 
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fahren; wenn er nicht allzu hurtig flieht, so wird er sich davor nimmer 
bewahren können". Der Hund wurde losgelassen, der Bär sprang von 
dannen, nud Kriemhildens Mann gedachte ihn zu Roß zu ereilen; aber 
zuvor erreichte der Bär ein Geklüft, darin er sich zu bergen meinte, 
und glaubte sich schou vor dem kecken Jäger in Sicherheit. Doch der 
gute Ritter sprang von seinem Rosse und lief ihm zu Fuß nach, ergriff 
das Tier und fesselte es dergestalt, daß es weder kratzen noch beißen 
konnte; band es an den Sattel, saß schnell auf, und so bracht' es der 
kühne, gute Degen zu einer Kurzweil uach der Feuerstätte. Als er vom 
Rosse gestiegen, löste er dem Bären die Bande von Maul und Füßen, 
und alsbald wurden bei seinem Anblick alle Hunde laut. Das Untier 
wollte in den Wald zurück und verbreitete argen Schrecken umher; durch 
den wirren Lärm umhergescheucht, geriet es gar in die Küche; ei, wie 
stäubten da die Küchenknechte am Feuer auseinander! wie viele Kessel 
wurden umgestürzt und mancher Brand verschleppt, uud ach, wie viel 
gute Speisen fand man in der Asche liegen! Da sprangen die Herren 
und ihre Mannen vom Sitz; und der König befahl das ganze Gehünde, 
das an der Koppel lag, loszulassen. Es war ein lustig Spiel und wär' 
es gut beendet worden, so hätten sie einen fröhlichen Tag gehabt. Da 
war kein Säumen; mit Bogen und Spießen liefen die Schnellen dahin, 
wo der Bär ging; aber es drangen so viel Hunde auf ihn ein, daß 
niemand znm Schusse kam, und von dem lauten Schalle erlöste das 
ganze Gebirg. Der Bär floh vor den Hunden von dannen, und niemand 
vermocht' ihm zu folgen als Kriemhildens Mann; der holte ihn mit 
dem Schwerte ein und schlug ihn zu Tode. Hieraus trug man den 
Bären wieder zum Feuer. Da sprachen alle, die das gesehen hatten, 
Siegfried wäre ein kräftiger Mann. 
Nun hieß man die stolzen Jagdgesellen zu Tische gehen; auf dem 
schönen Anger saßen sie zahlreich umher, und gute Speise, wie sie Rittern 
geziemt, trug man den edeln Weidmännern herzu; aber es fehlte der 
Wein, den man auf Hageus Rat aus böser Tücke zurückgelassen hatte. 
Da sprach Herr Siegfried: „Mich nimmt es wunder, da man uns von 
der Küche so manchen Vorrat giebt, warum uns die Schenken nicht 
Wein dazu bringen; pflegt man der Jäger nicht besser, so mag ich nicht 
Jagdgeselle sein! Ich weiß es ihnen Übeln Dank, daß sie des Weines 
vergessen; hätt' ich's vermuten können, so wären mir sieben Saumtiere 
mit Met und Würzwein gefolgt". Da sprach Hagen von Troneck: „Ihr 
edlen schnellen Ritter, ich weiß hier ganz nahe einen kühlen Bruuueu 
im Lindenschatten, dahin wollen wir gehen und unseren Durst löschen".
	        
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