94. Varon von Münchhausen erzählt einige Abenteuer.
Auf meiner Reise nach Rußland, die ich mitten im Winter antrat,
kam ich durch Polen. Nach einem langen Tagesritt überfielen mich
Nacht und Dunkelheit. Nirgends war ein Dorf zu hören noch zu
sehen. Das ganze Land lag unter Eis und Schnee, und ich wußte
weder Weg noch Steg. Des Reitens müde, stieg ich endlich ab und
band mein Pferd an eine Art von spitzem Baumstaken, der über dem
Schnee hervorragte. Zur Sicherheit nahm ich meine Pistole unter
den Arm, legte mich nicht weit davon in den Schnee nieder und tat
ein so gesundes Schläfchen, daß mir die Augen nicht eher wieder auf—
gingen, als bis es heller, lichter Tag war. Wie groß war aber mein
Erstaunen, als ich fand, daß ich mitten in einem Dorfe auf dem Kirch—
hofe lag! Mein Pferd war anfänglich nirgends zu sehen; doch hörte
ich's bald darauf irgendwo über mir wiehern. Als ich nun emporsah,
so wurde ich gewahr, daß es an den Wetterhahn des Kirchturms ge—
bunden war und von da herunterhing. Nun wußte ich sogleich, wie ich
dran war. Das Dorf war nämlich die Nacht über ganz zugeschneit
gewesen; das Wetter hatte sich auf einmal umgesetzt; ich war im
Schlaf nach und nach, sowie der Schnee zusammengeschmolzen war,
ganz sanft herabgesunken; und was ich in der Dunkelheit für den
Stumpf eines Bäumchens, der über dem Schnee hervorragte, gehalten,
und daran mein Pferd gebunden hatte, das war das Kreuz oder der
Wetterhahn des Kirchturmes gewesen.
Ohne mich nun lange zu bedenken, nahm ich eine von meinen
Pistolen, schoß nach dem Halfter, kam glücklich auf die Art wieder zu
meinem Nierde und setzte meine Reise fort.
Einst belagerten wir, ich weiß nicht mehr welche Stadt, und dem
Feldmarschall war ganz erstaunlich viel an genauer Kundschaft gelegen,
wie die Sachen in der Festung ständen. Es schien äußerst schwer, ja
fast unmöglich, durch alle Vorposten, Wachen und Festungswerke
hineinzugelangen; auch war eben keiner vorhanden, durch den man
so etwas glücklich auszurichten hätte hoffen können. Vor Mut und
Diensteifer fast ein wenig allzurasch, stellte ich mich neben eine der
größten Kanonen, die soeben nach der Festung abgefeuert ward, und
sprang im Hui auf die Kugel, in der Absicht, mich in die Festung hinein—
tragen zu lassen. Als ich aber halbwegs durch die Luft geritten war,
stiegen mir allerlei nicht unerhebliche Bedenklichkeiten zu Kopfe. Hm,
dachte ich, hinein kommst du nun wohl, allein wie hernach sogleich
wieder heraus? Und wie kann's dir in der Festung ergehen? Man
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