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sah, so erkannte er das schöne Mädchen, das mit ihm getanzt hatte,
und rief: „Das ist die rechte Braut!“ Die Stiefmutter und die
beiden Schwestern erschraken und wurden bleich vor Arger; er
aber nahm Aschenputtel aufs Pserd und ritt mit ibhm fort. Als sie
an dem Haselbäumchen vorbeikamen, riefen die zwei weiben
Tuubehen: „Rucke di guek, ruceke di guek,
kein Blut ist im Schuck;
der Sechuck ist nicht zu klein,
die rechte Braut, die fübrt er heim.“
Und als sie das gerufen hatten, kamen sie beide herabgeflogen
und setzten sich dem Aschenputtel auf die Schultern, eine rechts,
die andere links, und blieben da sitzen.
Als die Hochzeit mit dem Königssohn sollte gehalten werden,
kamen die falschen Schwestern, wollten sich einschmeicheln und
teil an seinem Glück nehmen. Als die Brautleute nun zur Kirche
gingen, war die älteste zur rechten, die jüngste zur linken Seite;
da pickten die Tauben einer jeden das eine Auge aus. Hernach,
als sie herausgingen, war die älteste zur Linken und die jüngste
zur Rechten, da pickten die Tauben einer jeden das andere Auge
aus. Und waren sie also für ihre Bosheit und Falschheit mit
Blindheit auf ihr Lebtag gestraft. Brüder Grimm.
40. Dornröschen.
Vorzeiten war ein König und eine Königin, die sprachen jeden
Tag: „Ach, wenn wir doch ein Kind hätten!“ und kriegten immer
keins. Da trug es sich zu, als die Königin einmal im Bade saß, daß
ein Frosch aus dem Wasser ans Land kroch und zu ihr sprach: „Dein
Wunsch wird erfüllt werden; ehe ein Jahr vergeht, wirst du eine
Tochter zur Welt bringen.“ Was der Frosch gesagt hatte, das geschah,
und die Königin gebar ein Mädchen, das war so schön, daß der König
vor Freude sich nicht zu lassen wußte und ein großes Fest anstellte.
Er lud nicht bloß seine Verwandte, Freunde und Bekannte, sondern
auch die weisen Frauen dazu ein, damit sie dem Kind hold und ge—
wogen wären. Es waren ihrer dreizehn in seinem Reiche; weil er
aber nur zwölf goldene Teller hatte, von welchen sie essen sollten,
so mußte eine von ihnen daheim bleiben. Das Fest ward mit aller
Pracht gefeiert, und als es zu Ende war, beschenkten die weisen Frauen
das Kind mit ihren Wundergaben: die eine mit Tugend, die andere
mit Schönheit, die dritte mit Reichtum, und so mit allem, was auf
der Welt zu wünschen ist. Als elf ihre Sprüche eben getan hatten,