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und über mit Schmutz bespritzt, denn, wie er mir keuchend erzählte, sein Pferd
war ihm schon unter dem Leibe erschossen worden. Als ich ihn wiedersah,
saß er hinter einer Mauer im Dorfe unter einer Gruppe hingestreckter Krieger
und erhob unter dem Brüllen der Geschütze seine Stimme im Gebete zu
Gott. Aus einer englischen Zeitung.
336. Der Kaisertag in Versailles.
Während die kriegerischen Ereignisse in raschem Fortschritt die gänzliche
Niederwerfung Frankreichs beschleunigten, brach in Versailles ein Tag heran,
der dem Werke der vereinten Kraft Deutschlands das Siegel aufdrückte durch
die feierliche Erneuerung des deutschen Kaiserthums, das die deutschen Fürsten
und Völker dem greisen König Wilhelm schon im December 1870 dar¬
geboten hatten.
In dem Schlosse Ludwigs XIV., jenes gottlosen, französischen Fürsten,
dessen ganzes Sinnen und Trachten auf Deutschlands Zersplitterung und
Erniedrigung gegangen war, ward am 18. Januar 1871 durch eine feier¬
liche Handlung König Wilhelm als deutscher Kaiser ausgerufen.
Unter all der prahlerischen Eitelkeit in dem berühmten großen Spiegel¬
saale des Versailler Schlosses steht ein bescheidener Altar mit zwei brennenden,
goldenen Kronleuchtern und davor ein preußischer Geistlicher in seinem
schmucklosen, einfachen Anzuge. Ihm gegenüber haben der König, der Kron¬
prinz und viele fürstliche Gäste Platz genommen. Bismarck und Moltke
standen in der Nähe des Königs.
Ein Soldatensängerchor leitete die kirchliche Feier durch ein „Jauchzet
dem Herrn alle Welt" mit Posaunenbegleitung ein und sang die Liturgie.
Ein kriegerisches „Helme ab zum Gebet!" und die Predigt des Hofpredigers
Rogge aus Potsdam über den gerade auf diese Feier so passenden 21. Psalm
folgte: „Du überschüttest ihn mit gutem Segen, du setzest eine goldene Krone
auf sein Haupt .... du setzest ihn zum Segen ewiglich .... denn der
König hofft auf den Herrn und wird durch die Güte des Höchsten fest
bleiben .... Sie gedachten dir Übles zu thun lind machten Anschläge, die
sie nicht konnten ausführen . . . ." Mit einem brausenden „Nun danket
alle Gott!" schloß die kirchliche Feier.
Der König erhob sich und schritt, gefolgt von allen Prinzen und Fürsten
und dem Grafen Bismarck, durch die Galerie gerade auf die Erhöhung zu,
wo alle die Fahnenträger standen. Am Rande der Erhöhung stand der
greise, fast 74jahrige König, zu seiner Rechten der Kronprinz, links der
Bundeskanzler; die Fürsten traten hinter den König. Mit bewegter Stimme
sagte der König, wie ihm die Kaiserkrone von allen deutschen Fürsten und
freien Reichsstädten und den Vertretern des norddeutschen Bundes angetragen
worden sei, und daß er sie annehme und in diesem Sinne heute eine Be¬
kanntmachung an das ganze deutsche Volk erlasse, die der Bundeskanzler
jetzt verlesen werde. — Dieselbe lerntet:
„An das deutsche Volk!
Wir Wilhelm, von Gottes Gnaden König von Preußen, verkünden
hiermit:
Nachdem die deutschen Fürsten und freien Städte den einmüthigen Ruf
an Uns gerichtet haben, mit Herstellung des deutschen Reiches die seit mehr
denn 60 Jahren ruhende Kaiserwürde zu erneuern und zu übernehmen, und
nachdem in der Verfassung des deutschen Bundes die entsprechenden Bestim¬
mungen vorhergesehen sind, bekunden Wir hiermit, daß Wir es als Pflicht
gegen das gesammte Vaterland betrachten, diesem Rufe der verbündeten
deutschen Fürsten und freien Städte Folge zu leisteg^^^^^^^^aiscr-
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