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feine silberne Armbrüste. Aber es war noch früh, daß die Kinder
noch nicht gegessen hatten; darum konnt' ich des Tanzes nicht er-
harren und sprach zum Manne: „Ach, lieber Herr, ich will flugs hin-
gehen und das alles meinem lieben Söhnlein Hänschen schreiben,
daß er ja fleibig bete und wohl lerne und fromm sei, auf daß er
auch in diesen Garten komme; aber er hat eine Muhme Lene,“)
die muß er mitbringen.“ Da sprach der Mann: „Es soll ja sein;
geh hin und schreibe ihm alsol“
Darum, liebes Söhnlein Hänschen, lerne und bete ja getrost und
sage es Lippus und Jost auch, daß sie auch lernen und beten, so
werdet ihr miteinander in den Garten kommen. Hiermit sei dem
allmächtigen Gott besohlen und grüße Muhme Lene und gib ihr
einen Kuß von meinetwegen! Anno 1530.
Dein lieber Vater
Martinus Luther.
116. Sachsentreue.
Der Kurfürst Johann Friedrich von Sachsen war in der Schlacht
bei Mühlberg von Kaiser Karl V. geschlagen und nicht bloß seines
Thrones entsetzt, sondern auch zum Tode verurteilt worden. Der
Kaiser grollte den sachsischen Fürsten bitterlich, weil sie in ihren
Landen Luthers Lehre geduldet, ja sogar zur Staatsreligion gemacht
hatten, und er war darum trotz der Bitten der anderen deutschen
Fürsten nicht zu bewegen, das Todesurteil über den gesfangenen
Fursten zurückzunehmen. Ein letztes Mal hatten ihn die Kurfürsten
von Brandenburg und Cleve mit Bitten bestürmt, aber Karl V. blieb
unerbittlich. Als die beiden Fürsten von dem Kaiserzelt aus durch
das Lager schritten, begegnete ihnen ein silberlockiger Greis, der sie
artig grüßte und direkt auf das Kaiserzelt zuschritt. Als ihn dort
die Wache anhielt, begehrte er, den Kaiser zu sprechen. Die Wache
wies ihn barsch zurück und fragte, wer er sei und was er wolle.
„Ich bin ein Maler und der Bürgermeister von Wittenberg. Mein
Name ist Lukas Cranach — meldet mich so dem Kaiser.“
) Muhme Lene (Magdalene) war die Tante von Luthers Gemahlin und gehõrte
mit zu Luthers Pamilie.