Full text: Die Geschichte der letzten 50 Jahre

78 8. Aufstand und Wiedergeburt Griechenlands. 
mehr oder weniger reiche Beute zurückzubringen. Als aber eine 
osmanische Flotte zur Unterjochung Morea's und der Inseln in 
Constantinopel ausgerüstet ward, segelten die vereinigten Geschwader 
der drei Inseln, ungefähr 38 Schiffe, ihr entgegen und nöthigten sie, 
nach Constantinopel zurückzusegeln. Die zum zweiten Male von 
Constantinopel aussegelnde Flotte zurückzutreiben, gelang dem von 
Hydra anlangenden Geschwader nicht. Eine dritte Unternehmung 
der vereinigten Geschwader — dieses Mal über 90 Segel stark — 
(zu Anfang Juli) war gegen die Türken in Klein-Asien gerichtet, 
die nach Samos überzugehen sich gerüstet hatten; 9 Transportschiffe 
wurden verbrannt, und diese Insel, welche die Angriffe der feind¬ 
lichen Kriegsschiffe aufs nachdrücklichste abgeschlagen hatte, gegen 
ähnliche feindliche Ueberfälle gesichert. 
Die Keime der Unabhängigkeit, die auf den griechischen Inseln 
längs der asiatischen Küste sich entfalteten, wurden durch das grä߬ 
liche Blutbad von Chios erstickt. Samos hatte sich bereits früher 
erhoben und war im März 1822 im Stande, 3000 Mann nach 
Chios zu senden, wo Manche ihrer harrten, um die Waffen gegen 
die Türken zu ergreifen. Die überwiegende Mehrzahl der Chioten 
hielt es für vermessen und frevelhaft, mit unzulänglichen Kräften 
einen ungleichen Kampf zu wagen, während 50 Primaten, unter 
ihnen der Erzbischof Platon, als Geisel in der Gewalt der Türken 
auf dem Castell sich befanden und eine große Flotte zum Auslaufen 
in den Dardanellen bereit lag. Der Erfolg rechtfertigte nur zu sehr 
ihre Befürchtungen. Kaum 20 Tage, nachdem die Samier gelandet, 
warf die türkische Flotte im Hafen der Stadt Anker (in den letzten 
Tagen des Mürz 1822), und gleichzeitig ward ein türkisches Heer 
von dem an der asiatischen Küste gelegenen Tschesme nach Chios 
übergesetzt. Die Samier zogen sich nach ihrer Insel zurück, und die 
Chioten, die nicht glücklich genug waren, vorher zu entkommen oder 
von einigen längs der Küste kreuzenden griechischen Fahrzeugen aus¬ 
genommen zu werden, blieben der Wuth eines blutdürstigen Feindes 
Preis gegeben, der kein Mittel scheute, die in die Gebirge Geflüch¬ 
teten in seine Gewalt zu bekommen, auch nicht das einer im Namen 
des Sultans verheißenen, von den Consuln der europäischen Mächte 
gewährleisteten und dennoch schamlos gebrochenen Amnestie. Fast 
die ganze männliche Bevölkerung fiel unter dem Schwerte der Tür¬ 
ken, Frauen und Kinder wurden nach Klein-Asien und Aegypten ge¬ 
schickt, um als Sklaven verkauft zu werden, in wenigen Tagen sollen 
20,000 Personen umgekommen und 45,000 fortgeschleppt worden 
sein. Die herrliche Insel wurde durch Zerstörung der Wein- und 
Oelpflanzungen in eine Wüste verwandelt. Diese Greuelscenen in 
Chios vernahm die ganze gebildete Welt mit dem Gefühle der Ent¬ 
rüstung und sie haben dem Befreiungskriege viele damals noch schwan¬ 
kende Herzen zugewendet. Auch mußte der Kapudan Pascha Kara- 
Ali sehr bald seine grausame Wortbrüchigkeit büßen. Zu spät zur
	        
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