Full text: [Teil 1 = 6. Schuljahr, [Schülerband]] (Teil 1 = 6. Schuljahr, [Schülerband])

45 
in das tiefste Elend stürzest, damit du nur nicht einem andern 
gehorchen mögest? Dabei bedenkst du nicht, dass du eigentlich 
den erbärmlichen Mauren dienst, da du ja von ihnen dein Glück 
und Leben abhängig machst. Wahrlich, es wäre besser, wenn 
du dich dem Kaiser übergäbest, der dich ehren, der dir ein 
reichliches Besitztum schenken will. Trage dein Geschick; 
denn es ziemt dem Manne, Glück und Unglück mit demselben 
Gleichmute zu ertragen. Dass aber meine Worte wahr sind, dafür 
wird Beiisar dir Bürge sein, der alles, was ich dir hier sage, 
gern auf sich nehmen wird.“ 
Als Gelimer diesen Brief erhielt, weinte er bitterlich, aber 
er antwortete, dass er nimmer einem ungerechten Feinde sich 
unterwerfen wolle, der, obwohl niemals von ihm durch Wort 
oder That gekränkt, ihn so elend gemacht habe. „Aber“, so 
schloss er seinen Brief, „bewillige du mir eine Bitte, lieber 
Pbaras, und schicke mir eine Harfe, ein Brot und einen 
schwamm.“ Über diese Bitte wunderte sich, Bharas, da er 
nicht wusste, was sie bedeuten sollte, bis der Überbringer des 
Briefes sie ihm erklärte. Er sagte: „Gelimer hat ein Brot 
begehrt, weil er ein solches nicht mehr gesehen, seitdem er den 
Felsen von Pappua bestiegen hat; er bedarf eines Schwammes, 
weil ihm von vielem Weinen das eine Auge blind geworden ist; 
nach einer Harfe aber sehnt er sich, um bei ihrem Klange sein 
Glend zu besingen.“ Da ergriff den Pliaras Trauer über den 
Wechsel menschlicher Grösse, und er gewährte dem unglücklichen 
Könige seine Bitte. Aber immer enger versperrte er ihm die 
Zugänge zum Felsen von Pappua, 
Noch drei Monate vergingen, der Winter nahte sich seinem 
Gnde, und Gelimer war noch immer ungebeugten Mutes; aber 
seine Standhaftigkeit kam oft in Versuchung. Einmal hatte ein 
maurisches Weib von einigem Getreide, das kaum halb gemahlen 
war, einen Kuchen bereitet und schob ihn in die heisse Asche 
des Herdes, wie die Mauren zu backen pflegen. Bei dem Feuer 
saisen zwei Knaben, der eine war Gelimers Neffe, der andere 
ein Sohn jener Frau. Beide waren gierig hungrig und lauerten 
aut den Augenblick, wo der Kuchen gar sein würde. Als dieser 
so weit zu sein schien, stürzte der vandalische Knabe schnell 
darauf zu, riss ihn weg, schob ihn glühend und mit Asche be¬ 
deckt in seinen Mund und wollte ihn verschlingen. Aber der 
maurische Knabe fasste seinen Genossen in die Haare, rang mit 
ihm und entwand ihm endlich durch viele Schläge den Kuchen 
wieder aus dem Munde. Das traurige Schauspiel ergriff den 
König Gelimer so, dass er sich nicht mehr halten konnte; er 
setzte sich nieder und schrieb an Pliaras einen Brief dieses In¬ 
halts: „Es ist vergebens, mit dem Schicksale zu ringen, und ich 
kann nicht länger mein Los hier ertragen. Ich will deinem Rate
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.