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Prinz war ein schöner Mann, und wenn sein Charakter
seinem Äußeren entsprochen hätte, wahrlich, Sophie
Dorothea hatte Ursache gehabt, eine glückliche Braut zu
sein. Leider aber war er im Charakter seiner Mutter
ähnlich, und er sah es als ein der Politik seines Vaters
zu bringendes Opfer an, daß er seiner Base die Hand
reichte. Ihre Schouheit, ihre Liebenswürdigkeit machten
nicht den geringsten Eindruck auf ihn; kalt und herzlos,
wie einer völlig Fremden, trat er ihr entgegen, und so*
bald es, ohne Aufsehen zu erregen, geschehen konnte,
machte er sich von ihr los und wandte sich anderer Ge¬
sellschaft zu.
Am Abend dieses Tages vergoß Sophie Dorothea
heimliche Thränen; sie hatte sich die erste Begegnung mit
ihrem Bräutigam anders gedacht. Jetzt kam es auch
über sie wie eine Unglücksahnung; aber noch kämpfte sie
die ihr aufsteigenden Bedenken nieder und suchte nach
Gründen, das kaltherzige Benehmen des Kurprinzen zu
erklären. Und es gelang ihr, die Bangigkeit zu ver¬
scheuchen. Jetzt wollte sie erst recht dem Bräutigam
freundlich begegnen, und gewiß, er würde endlich besiegt
werden und ihr ebenfalls seine Liebe schenken. Viel¬
leicht war es ja nur Befangenheit, die ihn verhinderte,
schon gleich bei der ersten Begegnung ihr vertrauensvoll
gegenüber zu treten.
Und es schien in der That, als sollte der Erfolg
ihr 9iecht geben. Im längeren Umgang mit der ihm
aufgezwungenen Braut vermochte Georg Wilhelm nicht
ihrem Liebreiz zu widerstehen; anfang's zwar mußte er
sich Zwang anthun, freundlich mit ihr zu reden, aber
aus dem Zwang wurde mehr und mehr eine liebe Ge¬
wohnheit. Kaum waren acht Tage vergangen, so fühlte
er sich bereits wohl in der Nähe seiner Braut; nach
ferneren acht Tagen suchte er gar die Gelegenheit her¬
beizuführen , sich ihr zu nähern. Wer war glücklicher
über diese Beweise der wachsenden Zuneigung als Sophie
Dorothea! Nun sah sie wieder mit froher Hoffnung in
die Zukunft, und die düstern Bilder, die ihr vorgeschwebt
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