Full text: Die Burgfrau von Ahlden (6)

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Prinz war ein schöner Mann, und wenn sein Charakter 
seinem Äußeren entsprochen hätte, wahrlich, Sophie 
Dorothea hatte Ursache gehabt, eine glückliche Braut zu 
sein. Leider aber war er im Charakter seiner Mutter 
ähnlich, und er sah es als ein der Politik seines Vaters 
zu bringendes Opfer an, daß er seiner Base die Hand 
reichte. Ihre Schouheit, ihre Liebenswürdigkeit machten 
nicht den geringsten Eindruck auf ihn; kalt und herzlos, 
wie einer völlig Fremden, trat er ihr entgegen, und so* 
bald es, ohne Aufsehen zu erregen, geschehen konnte, 
machte er sich von ihr los und wandte sich anderer Ge¬ 
sellschaft zu. 
Am Abend dieses Tages vergoß Sophie Dorothea 
heimliche Thränen; sie hatte sich die erste Begegnung mit 
ihrem Bräutigam anders gedacht. Jetzt kam es auch 
über sie wie eine Unglücksahnung; aber noch kämpfte sie 
die ihr aufsteigenden Bedenken nieder und suchte nach 
Gründen, das kaltherzige Benehmen des Kurprinzen zu 
erklären. Und es gelang ihr, die Bangigkeit zu ver¬ 
scheuchen. Jetzt wollte sie erst recht dem Bräutigam 
freundlich begegnen, und gewiß, er würde endlich besiegt 
werden und ihr ebenfalls seine Liebe schenken. Viel¬ 
leicht war es ja nur Befangenheit, die ihn verhinderte, 
schon gleich bei der ersten Begegnung ihr vertrauensvoll 
gegenüber zu treten. 
Und es schien in der That, als sollte der Erfolg 
ihr 9iecht geben. Im längeren Umgang mit der ihm 
aufgezwungenen Braut vermochte Georg Wilhelm nicht 
ihrem Liebreiz zu widerstehen; anfang's zwar mußte er 
sich Zwang anthun, freundlich mit ihr zu reden, aber 
aus dem Zwang wurde mehr und mehr eine liebe Ge¬ 
wohnheit. Kaum waren acht Tage vergangen, so fühlte 
er sich bereits wohl in der Nähe seiner Braut; nach 
ferneren acht Tagen suchte er gar die Gelegenheit her¬ 
beizuführen , sich ihr zu nähern. Wer war glücklicher 
über diese Beweise der wachsenden Zuneigung als Sophie 
Dorothea! Nun sah sie wieder mit froher Hoffnung in 
die Zukunft, und die düstern Bilder, die ihr vorgeschwebt 
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