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82. Das Vogelnest.
Rudolf IiOwenstein.
Kindergarten. 4. Auflage. Berlin. 1886. 8. 55.
[Zuerst in: Volkskalender für 1847. Herausgegeben von K. Steffens. Berlin. 8. 1.]
„Nun sieh, lieb Schwesterchen, sieh nur hin, —
ein Nest! Sechs Vögelchen sitzen drin!
Die Mutter, sie flattert soeben hinaus, —
nun nehm' ich die Kleinen mit mir nach Haus."
5. „Ach, lasse du ruhn die zwitschernde Brut,
auch die Vöglein stehen in Gottes Hut,
und wie uns die Mutter zu Hause bewacht,
so nimmt auch der Vogel die Kleinen in acht,
und die Englein, von denen uns Mutter sprach,
IO. daß sie um uns schweben und bleiben wach
bei allem, was wir reden und thun,
wenn wir spielen oder im Bettlein ruhn,
die Englein sprechen: Wir freuen mit euch
uns auch an den Vöglein im grünen Gesträuch;
15. drum lasset sie still bei der Mutter im Nest,
denn Gott, der alles gedeihen läßt,
sorgt auch für die Vöglein aufs allerbest'! ,846.
S3. 8er junge Falk.
Franz Hoffmann,
Märchen und Fabeln für kleine Kinder. 4. Auflage. Stuttgart. 1861. 8. 271.
(1. Auflage. Stuttgart. 1842.)
1. „Vater!" sagte der junge Falk eines Morgens zu dem
alten, der sich zu einem Ausfluge rüstete, „Vater, laß mich mit dir
ziehen! Meine Schwingen') sind gewachsen, meine Fanges fast so
stark als die deinigen; es ist Zeit, daß ich selbst für mich sorge."
Der alte Falk schüttelte zwar bedenklich sein Haupt, doch sprach er:
^ „Du sollst deinen Willen haben! Hüte dich aber, ungehorsam zu sein,
und folge allen meinen Ratschlägen, sonst möchtest du leicht in dein
Verderben rennen. Der Menschen List und Bosheit verfolgt uns
allerorten, und nur gereiste Erfahrung lehrt uns, ihren Schlingen
zu entgehn." Der Sohn versprach Gehorsam, und schnellen Fluges
entschwebten die Falken dem Neste. Sie flogen rasch dahin über
die Felder.
') Die Schwinge, der Flügel oder Fittich des Vogels. — 2) Fänge,
die Krallen der Raubvögel.