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mit Sand in Eichstätt gewesen und dort dem Bischof so nahe
gekommen sei, daß sie jedes seiner Worte verstanden habe. „Was
sagte er denn?" fragte Benedikt. „Er stand," antwortete die
Witwe, „mitten unter den Domherren in der neuen Kirche, die
er hat bauen lassen, und beratschlagte mit ihnen, mit was für
Steinen der Fußboden belegt werden dürfte. Der eine riet dies
und der andere das, bis der hochwürdige Herr der Unterredung
damit ein Ende machte, daß er sagte: „Nun, morgen um die
elfte Stunde haben wir die fremden Steinmetzen hierher bestellt
und wollen die Proben beschauen, die sie von allerlei Sand- und
Marmelsteinen bei sich haben. Aber wir fürchten, ein solches
Pflaster möchte für unseren bischöflichen Säckel zu teuer kommen.
Wir werden uns wohl die Backsteine gefallen lassen müssen, die
am wohlfeilsten sind." — „So, so," versetzte Benedikt, warf
seinen Löffel von Horn in die Tischlade, wünschte seiner Mutter
eine gute Nacht und ging unter das Dach hinauf in seine Schlaf¬
stätte.
Das Sandweib hatte übrigens den Fürstbischof ganz recht
verstanden. Schon bald nach der zehnten Stunde des Morgens
versammelten sich in der neuen Kirche zu Eichstätt, in der von
der Hand des Maurermeisters nichts mehr fehlte als das Pflaster,
etliche Steinmetzen, die der Bischof aus Tirol, dem Fichtelgebirge
und dem Rheingau auf seine Kosten berufen hatte. Die Stein¬
proben trugen ihnen ihre Gesellen in kleinen hölzernen Kästen
nach und stellten sie nebeneinander auf eine lange Tafel. Darauf
fanden sich nach und nach mehrere Grafen und Herren aus der
Nachbarschaft ein, die schon reichlich zu dem Kirchenbau beige¬
steuert hatten und nun auch bei dem Pflaster ein übriges tun
sollten. Endlich erschien auch der Fürstbischof mit der gesamten
Geistlichkeit und seinen weltlichen Beamten hinter sich, und als
alle beisammen waren, schien es fast, als sollte eine Kirchenver¬
sammlung gehalten werden, — so viele waren ihrer. Der Bischof
nahm nun die schön geschliffenen Proben aus den Kästlein, eine
nach der andern, und es war keine darunter, die ihm und seinem
Gefolge nicht gefallen hätte. Auch waren zum Teil die kleinen
Marmelsteine in den Schubladen so nebeneinander gelegt, weiße
und schwarze, gelbe und graue, bunte und einfarbige, daß man
Lesebuch für Höhere Mädchenschulen, 5. Schuljahr. 10