Full text: [Hauptstufe, [Schülerbd.]] (Hauptstufe, [Schülerbd.])

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die Leine auf seine rechte Seite geworfen wird, und steht, sobald 
es sie auf der linken Seite fühlt. Durch Schläge mit dem Lenkseil 
kann man es antreiben; aber man muh sieh hüten, es zu erzürnen. 
Es dreht sieh nämlich, wenn es bös wird, kurz um, hebt sich auf 
den Hinterfüßen empor und hämmert mit seinen Vorderfühen auf 
den umgeworfenen Reisenden los. Geduldig liegen bleiben, bis der 
Zorn des Tieres erschöpst ist, ist hier das beste Mittel. Dureh die 
dieken Pelze fühlt man die Schläge nieht, und mit Streicheln und 
guten Worten bringt man das Tier am besten wieder in Gang. — 
Stürzt der Schlitten um, so bleibt das Renntier im Lauf und schleift 
den Reisenden, der gewöhnlich im Sehlitten stecken bleibt, auf 
dem Schnee fort, bis es ihm gelingt, sieh mit dem Fahrzeug wieder 
empor zu helfen. Sind Wetter und Renner gut, so kann man 
20 norwegische Meilen (je 11,250 km) in einem Tage durchjagen. 
Das Renntier läuft im kurzen Trab, oder in Sprüngen galoppierend; 
wo es aber steil hinab geht, schiebt es blitzsehnell in die Tiefe, 
und der Schlitten ihm nach. So ist das Renntier des Lappen Eins 
und Alles, sein ganzer Reichtum. Bei einer Herde von 300 bis 
600 Stũück kann er leidlich leben, bei einer Anzahl von 200 mub 
sieh die Familie einschränken; es giebt aber auch Eigentümer von 
1000 bis 2000 Stück. Im Winter lagert er mit ihm in der moos- 
bewachsenen Wüste, welehe mit ihren sandigen Ebenen, Sümpfen 
und diehten Wäldern zur Seite der Gebirge liegt. Da stellt er 
verkrũüppelte Birkenstàmme zu l -2 m Höhe und 5—6 m im Umfange 
zurecht, durehflicht sie wohl mit Reisern, deckt ein grobes Wollen- 
zeug darüber und hat damit die Wohnung vollendet, in welcher er 
den grausigen Winter verlebt. In diesem engen Raume kauern auf 
Renntierfellen Erwachsene, Kinder und Hunde durcheinander, und 
noch dazu mub für ihr Hausgerät: etliche eiserne Töpfe, hölzerne 
Nipfe, Kasten, Löffel u. dgi. ein Winkel übrig bleiben. In der 
Mitte brennt in einem mit Steinen umstellten Raume das Feuer und 
erfüllt die Hütte mit Rauch, welcher dann durech ein Loch in der 
Decke abzieht. In einem groben Topfe am Feuer kann man bis- 
weilen ein kleines Kind erblicken — doeh nicht, damit es geschmort 
werde; nur seiner Erwärmung wegen hat man das kleine Ding s0 
untergebraeht, und es fühlt sieh ganz behagliceh. Uber dem Feuer 
brodelt in einem Kessel das Renntierfleisch. Aber welehe Kämpfe 
hat die Mutter zu bestehen, wenn sie es halbgar herausnimmt und 
auf ĩhre Pelzsehũrze legt, um es vorläufig zu zerschneiden. Ungebeten 
springen Kinder und Hunde herzu und reißen sieh um FPleiseh und 
Knochen. Mit Mihe entwindet's ihren Zähnen die Mutter, zersehneidet 
es ohne Ekel in Brocken, thut Salz und Renntierbutter dazu, und 
naehdem sie es wieder eine Weile im Kessel hat sehmoren lassen, 
igt das Mahl bereit. Braten und Keule haben im Geschmack 
Ahnlichkeit mit Hirschbraten; doch ist das Fleiseh röter und noch 
weicher und saftiger. 
Das Renntier bedarf keines Obdaches; es befindet sieh da drauhen 
ganz wohl. Sein im Sommer sehwarzes oder braunes, im Winter 
Lüneburger Lesebuch. Hauptstufe. 12. Aufl. 
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