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Boden verpflanzt. Nach ihr ward die Stadt Athen genannt; auf
dem Tempelberge, wo die heilige Olive stand, erhob sich das
prächtige Parthenon, in das man die Bildsäuls der Göttin stellte,
kostbar und schön aus Gold und Elfenbein gearbeitet.
Wo der ölbaum wächst und gepflegt wird, da gedeihet auch
der Friede. Als Noah zum zweiten Mal eine Taube ausfliegen lieb,
um zu erkunden, ob die alles verheerende Wasserflut noch nicht
gesunken sei, kam der Vogel mit einem frischen Olblatt im Schnabel
zurück. Dieses Blatt war dem Noah ein holdes Zeichen der be—
gonnenen Versöhnung zwischen Gott und den Menschen, und sehr
sinnig wählten die ersten Christen dieses Friedensblatt im Schnabel
der treuen Taube zu einem Sinnbilde auf den Denksteinen ihrer
Friedhöfe. ölzweige waren ein Zeichen des Friedens und freund-
schaftlichen Verkehrs. Die Friedensgöttin der Griechen hielt in
der rechten Hand einen ölzweig, in der linken ein Füllhorn. So
war auch die Viktoria der Römer mit einem Oõlkranze geschmückt.
A. V. Glrube.
354. Der Libanon.
Wenn man an der Insel Cypern vorüberfährt, so gewahrt man im
Osten schon in einer Entfernung von 20 Meilen die riesenhafte nördliche
Grenzmarke des heiligen Landes, den zackenlosen Gipfel des Libanons. —
Beschwerliche und gefahrvolle Pfade führen in dies Gebirge, bald an ent—
setzlichen Abgründen hin, bald durch finstere Schluchten, an schäumenden
Flüssen entlang, deren Ufer mit Zuckerrohr bepflanzt oder mit Schling—
pflanzen bewachsen sind, die sich öfters über dem Wasser gleichsam die
Hände reichen und ein grünes Laubdach überhinspannen. UÜberall stellt sich
neben die wilde Größe und Erhabenheit der Natur die Anmut mensch—
lichen Fleißes. Von tief unten bis nahe an den wellenförmigen Scheitel
des Gebirges steigen gemauerte Abstufungen, mit edlen Reben und Maul—
beerbäumen bepflanzt, oft hundertfach übereinander empor; zwischen den
Abhängen und dem Felsengeröll fließt das überströmende Gewässer in
tausendfachen Windungen auf vorgeschriebenen Wegen in die Tiefe; überall
hangen an den Felsenwänden Klöster und Dörfer wie Schwalbennester
über den Schlünden der Thäler, und die Häuserreihen sind nicht selten
so dicht übereinander an den Klippen gruppiert, daß die platten Dächer
der unteren den oberen zur Gasse dienen. Mit solcher fast ängstlichen
Sparsamkeit ist jeder Schrittbreit des kostbaren Bodens benutzt. Keine
Mühseligkeit in seiner Bebauung, keine Gefahr, welche den Wohnungen
durch die reißende Gewalt der die Felsen unterhöhlenden Bäche droht,
kann den Bewohnern des Libanons ihre Heimat verleiden; denn nur hier
auf diesem unzugänglichen Gebirge giebt es eine Freiheit, wie man sie
im übrigen türkischen Reiche und im ganzen Morgenlande vergebens sucht.
Hinter diesen unerschütterlichen Bollwerken haben die beiden tapferen Völker⸗
schaften, die christlichen Maroniten und die muhamedanischen Drusen, seit
Jahrhunderten ihre Unabhängigkeit siegreich verfochten.
Die Masse des Libanons, dessen Name so viel als weißer Berg
bedeutet, besteht aus weißlichem Kalkstein, in welchem man auch Muscheln