Gemeinde und Staut.
110. Erinnerung.
Willst du immer weiter schweifen?
sieh, das Gute liegt so nah.
Lerne nur das Glück ergreifen;
denn das Glück ist immer da.
Wolfgang v. Goethe.
111. Morgenlied.
Verschwunden ist die finstre Nacht, Lob sei dem Herrn und Dank gebracht,
die Lerche schlägt, der Tag erwacht, der über diesem Haus gewacht,
die Sonne kommt mit Prangen mit seinen heil'gen Scharen
am Himmel aufgegangen. uns gnädig wollt' bewahren.
Sie scheint in Königs Prunkgemach, Wohl mancher schloß die Augen schwer
sie scheinet durch des Bettlers Dach, und öffnet sie dem Licht nicht mehr.
und was in Nacht verborgen war, Drum freue sich, wer neu belebt
das macht sie kund und offenbar. den frischen Blick zur Sonn' erhebt.
Friedrich v. Schiller
112. Das Bauernhaus.
Ein großes Bauernhaus, das seit hundert und mehr Jahren
im Besitz der gleichen Familie war und absonderlich, wenn gute
Bäuerinnen darinnen wohnten, ist in einer Gegend fast, was das
Herz im Leibe: drein und draus strömt das Blüt, trägt Leben und
Wärme in alle Glieder; ist, was auf hoher Weide eine vielhundert—
jährige Schirmtanne den Kühen, unter welche sie sich flüchten, wenn
es draußen nicht gut ist, wenn die Sonne zu heiß scheint, wenn es
hageln will, oder sonst was im Anzuge ist, was die Kühe nicht
ließben; ist der große unerschöpfliche Krug, der nicht bloß einer
Witwe und ihrem Söhnlein das nötige Ol spendet, sondern Hun—
derten und abermal Hunderten Trost ünd Rat, Speise und Trank,
Herberge und manch warmes Kleid jahraus, jahrein. Ein solches
Haus ist das Bild der größten Freigebigkeit und der sorglichsten
Sparsamkeit. Da liest man die Strohhalme zusammen und zählt
die Almosen nicht; da findet man die Hände, die nie lässig sind
im Schaffen und im Geben, denen zur Arbeit die Kraft nie aus—
geht und nie die Gabe für den Bedraͤngten. So ein Haus ist ein
wunderbares Haus, aber darum ist es auch eine Art heiliger Wall—
ahrtsort, wohin wandert, wer bedrängten Herzens ist, Not leidet
am Leibe oder an der Seele. Jeremias Gotthelf.