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sich ihnen seit vielen Jahren nicht geboten hatte. „Was wollen diese
Leute in der ernsten Tracht, mit ihren sorgendurchfurchten Gesichtern
und schwieligen Händen?" so fragte sich ein jeder. „Um ihrem Fürsten
ihren Glückwunsch zu Neujahr darzubringen, darum allein werden sie
nicht den stundenlangen Weg zurückgelegt haben; dazu sind sie auch
sonst nicht gekommen. Ein zwingenderer Grund muß sie hierher ge¬
führt haben." Wer die Leute begleitete, sollte es bald erfahren.
An der Bartholomäuskirche vorüber ging's den steilen Schloßberg
hinan. Im Schloßhofe stimmte die Bergkapelle den Choral an: „Was
mein Gott will, gefcheh' allzeit." Darauf: „Armen Bergmanns Leben
ist zwar kärglich nur." Alsdann trat der Bergsteiger Hans Rowoldt aus
Hüttenrode vor. Die Arbeiter hatten ihn zum Sprecher gewählt, weil
sie wußten, daß er dem Herzoge Ludwig Rudolf, der damals das Fürsten¬
tum Blankenburg regierte, als rechtschaffener Mann persönlich bekannt
war. Hatte sich doch Ludwig Rudolf auf die Bitte des Pastors Heinrich
Christoph Käse zu Hüttenrode bereit erklärt, die Kosten der Hochzeit
seines Sohnes Siegfried mit Anna Freitag, Tochter des Hammer¬
schmieds Freitag zu Zorge, zu bestreiten, weil die Eltern des Braut¬
paares beiderseits zwar brav und fleißig, aber mit Glücksgütern gerade
nicht gesegnet waren.
„Durchlauchtigster Herzog, gnädigster Fürst und Herr!" so begann
Hans Rowoldt. „Ew. Hoheit gehorsamste Untertanen, wir Bergleute
von der Belegschaft Hüttenrode, die Hüttenleute von Tanne, Rübeland,
Altenbrak und Neuwerk, sowie die Köhler aus den herrschaftlichen
Forsten, sind gekommen, Ew. Hoheit unsere untertänigsten Glückwünsche
zum neuen Jahre zu sagen. Zugleich wollen wir für die Fürsorge danken,
die uns Ew. Hoheit bewiesen haben, als Sie eine Untersuchung gegen
die Herren Oberfaktoren angeordnet haben, und wollen von Herzen
wünschen, daß Gott Ew. Hoheit Kraft geben möge, die Sache zu einem
für uns guten Ende zu führen. Unsere Lage ist jetzt schier zum Ver¬
derben. Däs Hüttenamt zahlt uns einen Teil unserer Löhnung in Brot¬
korn. Das sieht aus, als ob es sehr auf unser Wohl bedacht wäre. Aber
was rechnet man uns dafür an? Der Marktpreis für den Himpten
Roggen betrug diesen Herbst 17 Mariengroschen. Wir mußten aber
20 Mariengroschen dafür bezahlen. Der Magazinverwalter behauptete,
das Korn wäre vor der Ernte gekauft; da wäre es so teuer gewesen. —
Und was für einen Hungerlohn kriegen wir? Das Eisen, das unsere
Hütten liefern, ist weit und breit das beste und wird gut bezahlt. Aber
wer hat den Vorteil davon? Nicht Ew. Hoheit! Denn die Vergünsti-