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der schluchtähnlichen Thäler, fortdauernde Zerstörung und Herabrollen
der in endloser Gleichförmigkeit und Kahlheit sich ausdehnenden Berg¬
wände und eine furchteinflößende Wildnis, welche nirgends durch
freundlichere Scenen unterbrochen wird. Braune, graue und gelbliche
Färbungen sind über das Gebirge allenthalben verbreitet, wo nicht der
ewige Schnee weite, horizontal scheinende Ebenen bildet oder die
größere Entfernung ihren mildernden, bläulichen Dunst verbreitet.
Grell leuchtet hier und da der hochrote Porphyr von den halbzerstörten
Jochen, und die engen, dunkeln Schluchten, die selten sich weit genug
ausdehnen, um dem Landmanne nützlich werden zu können, sind hoch
mit seinen Trümmern überschüttet und bieten nur verkümmerte Sträucher
oder vereinzelte Pflanzen, die auf solchem Boden sich nie zu einer
saftigen Trift vereinigen können.
Von dem, wodurch der Mensch das Ansehen einer Landschaft ver¬
ändert und verschönert, seinen heimischen Dörfern und geschäftigen
Städten, seinen Kunststraßen und wohlangebauten Feldern, enthalten
die einsamen Anden keine Spur. Der Ruf der Sennhirten begrüßt
nicht den Wanderer, wenn er am frühen Morgen die steilen Berg¬
seiten erklimmt, und des Abends tönt nicht aus dem Thale dem Heim¬
kehrenden das friedliche Geläut einer Vesperglocke entgegen. — Un¬
fähig, in ihrem Schoße eine Bevölkerung zu erhalten, werden die
Anden nie anders als in ihrer starren Regungsfähigkeit erscheinen
können, und dieser Charakter, den man selbst in den Einzelheiten ver¬
folgt und so schwer mit Worten schildert, wird derselbe bleiben, bis
die langsam, aher sicher wirkende Naturkrast, im Laufe der Jahr¬
tausende, durch Veränderung des Klimas und die gradweise Zerstörung
der Oberfläche auch diese Gebirge fähig macht, Schauplätze menschlichen
Fleißes zu werden. —
Wenn manche Einzelnheiten der Anden, ihre Felswände, die nur
unbemerklich von der senkrechten Richtung abweichen und doch un¬
zerrissen 625 Meter sich erheben, ihre Schluchten, die oft über
1560 Meter tief sind, wenn diese die Aufmerksamkeit fesseln und die
Phantasie mit ihrer Schauerlichkeit aufreizen, so tritt später der kalt
richtende Verstand in seine Rechte ein und veranlaßt durch ruhige
Erwägung großartiger Thatsachen eine ernste Bewunderung. Diese
Anden, die man, innerhalb ihres Schoßes lebend und von ihren rie¬
sigen Wänden umgeben, nie richtig beurteilt, und von deren Größe
man nur in bedeutender Entfernung erst eine rechte Idee erhält, er¬
strecken sich in ununterbrochenen Reihen über 60 Breitengrade und
messen selbst im nördlichen Chile, wo sie als eine einzige Kette
auftreten, noch mindestens 20 Meilen auf dem Querdurchmesser ihrer
Grundfläche. Selbst ohne an die gründliche Lösung der Frage zu
gehen, wie groß die Oberfläche sei, die sie bedecken, staunt man über
die Resultate einer flüchtigen Berechnung und staunt noch mehr, wenn
man bedenkt, daß ihre mittlere Höhe, nach einer Menge von Beobach-