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„Führet,“ sprach er, ‚mich zu eurem Führer!“
Vor ihn trat er, und der schöne Jüngling
wandte sich; er konnte diesen Anblck
nicht ertragen. „Fliehe nicht, o Jüngling,
nicht, o Sohn, den waffenlosen Vater,
einen Greis! Ich habe dich gelobet
meinem Herrn und muß für dich antworten;
gerne geb' ich, willst du es, mein Leben
für dich hin; nur dich fortan verlassen
kann ich nicht! Ich habe dir vertrauet,
dich mit meiner Seele Gott verpfändet.“
Weinend schlang der Jüngling seine Arme
um den Greis, bedeckete sein Antlitz,
stumm und starr; dann stürzte stati der Antwort
aus den Augen ihm ein Strom von Thränen.
Auf die Kniee sank Johannes nieder,
küßte seine Hand und seine Wange,
nahm ihn neu geschenket vom Gebirge,
läuterte sein Herz mit süßer Flamme.
Jahre lebten sie jetzt unzertrennet
miteinander; in den schönen Jüngling
goß sich ganz Johannes' schöne Seele.
Sagt, was war es, was das Herz
also tief erkannt' und innig festhielt,
und es wiederfand und unbezwingbar
rettete? Ein Sankt-Johannes-Glaube,
Zutraun, Festigkeit und Lieb und Wahrheit.
des Jünglings
132. Freundschaft.
Das Bild der Alten von der Freundschaft, die beiden inein—
ander geschlungenen Hände, scheinet mir das beste Sinnbild ihrer
Vereinigung, ihres Zweckes und Genusses zu sein, bedeutender, als die
zwei gleich gestimmten Saitenspiele. Diese drücken nichts aus als Ge—
selligkeit, die lange noch nicht Freundschaft ist. Ein geselliger
Mensch ist leicht und wohl gestimmt; er stimmt sich selbst leicht zu jeder
Gesellschaft, und so stimmt sich auch diese leicht zu ihm. Er drückt nie—
mand mit seinem Dasein, er verengt keinen, und so ist jedermann gern
um ihn; man ist auch bis auf einen gewissen Grad mit ihm vertraut,
weil man fühlt, der Mensch habe nichts Arges. Charaktere der Art
sind zum täglichen Umgange gut. Aber Freundschaft, — welch ein
anderes, heiliges Band ist diese! Herzen und Hände kunüpft sie zu