Full text: Für die oberen Stufen mehrklassiger Schulen (Teil 2, [Schülerbd.])

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Weh dir, verruchter Mörder, du Fluch des Sängertums! 
Umsonst sei all dein Ringen nach Kränzen blut'gen Ruhms; 
dein Name sei vergessen, in ew'ge Nacht getaucht, 
sei wie ein letztes Röcheln in leere Luft verhaucht!“ 
Der Alte hat's gerufen, der Himmel hat's gehört; 
die Mauern liegen nieder, die Hallen sind zerstört. 
Noch eine hohe Säule zeugt von verschwundner Pracht; 
auch diese, schon geborsten, kann stürzen über Nacht. 
Und rings statt duft'ger Gärten ein ödes Heideland; 
kein Baum verstreuet Schatten, kein Quell durchdringt den Sand. 
Des Königs Namen meldet kein Lied, kein Heldenbuch; 
versunken und vergessen! — das ist des Sängers Fluch. 
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XXXIII. Anstinus Kerner. 
(1786 - 1862.) 
175. Der Wanderer in der Sägemühle. 
1. Dort unten in der Mühle saß ich in stiller Ruh 
und sah dem Räderspiele und sah den Wassern zu. 
2. Sah zu der blanken Säge, — es war mir wie ein Traum, — 
die bahnte lange Wege in einen Tannenbaum. 
3. Die Tanne war wie lebend; in Trauermelodie, 
durch alle Fasern bebend, sang diese Worte sie: 
4. „Du kehrst zur rechten Stunde, o Wanderer, hier ein; 
du bist's, für den die Wunde mir dringt ins Herz hinein; 
5. Du bist's, für den wird werden, wenn kurz gewandert du, 
dies Holz im Schoß der Erden ein Schrein zur langen Ruh.“ 
6. Vier Bretter sah ich fallen; mir ward's ums Herze schwer; 
ein Wörtlein wollt' ich lallen; — da ging das Rad nicht mehr. 
176. Der reichste Fürst. 
1. Preisend mit viel schönen Reden 
ihrer Länder Wert und Zahl, 
saßen viele deutsche Fürsten 
einst zu Worms im Kaisersaal. 
2. „Herrlich,“ sprach der Fürst von Sachsen, 
„ist mein Land und seine Macht; 
Silber hegen seine Berge 
wohl in manchem tiefen Schacht.“ — 
3. „Seht mein Land in üpp'ger Fülle,“ 
sprach der Pfalzgraf von dem Rhein, 
„goldne Saaten in den Thälern, 
auf den Bergen edlen Wein!“
	        
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