Full text: Für die oberen Stufen mehrklassiger Schulen (Teil 2, [Schülerbd.])

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auf den weiten Länderstrecken als auf ihrem Eigentume, und jeder einzelne 
Hausvater bauete sich fern von dem anderen aus gewaltigen Stämmen 
schlicht das Haus und umgab den Hofraum mit Pfahlwerk. Das war 
nun sein und der Seinigen unverletzliches Heiligtum, und er waltete nach 
alter Sitte darin wie ein Priester, Richter und Fürst. 
Groß, stark und schön waren die Deutschen in alter Zeit; Keusch— 
heit, Einfachheit der Sitten und Freiheit erhielten den Kindern die Kern— 
kraft der Eltern. Wie Riesen erschienen sie den Menschen des Südens. 
Weiß und rein war die Farbe ihrer Haut; in üppiger Fülle floß das 
goldgelbe Haar, der Mähne des Löwen ähnlich, bei Männern und 
Frauen hernieder, und aus den großen, blauen Augen blickten Mut und 
edler Freiheitsstolz. Die Kraft des Leibes wurde frühzeitig gestählt. 
Das neugeborene Kind wurde in kaltes Wasser getaucht, das heran— 
gewachsene durch Leibesübung abgehärtet. Der Knabe ging mit dem 
Vater auf die Jagd, oder er warf sich bei Sturm und Wetter in den 
Strom und rang mit den Wellen. Der Jüngling sprang nackt zwischen 
Schwertern und Lanzenspitzen einher. Ein solcher Schwerttanz war das 
einzige Schauspiel, woran das Volk Gefallen fand, und sein Beifall lohnte 
den Kecksten und Geschicktesten reichlich. 
Duller. 
2. Hermann. 
Zur Zeit der Geburt Christi kam das deutsche Land bis zum Rhein 
und zur Donau unter römische Herrschaft. Die Römer legten Pflanz— 
orte (Kolonieen) am Rhein und an der Donau an (z. B. Augsburg, d. i— 
Augustusburg), errichteten Städte und Festungen und führten römischen 
Gottesdienst, römisches Recht und römische Sitte ein. — Aber mit diesen 
Erfolgen begnügte sich der Kaiser Augustus nicht; er wollte auch das 
Innere Deutschlands erobern. Darum schickte er seinen Stiefsohn Drusus 
gegen die Katten (Hessen), Marsen, Cherusker und andere deutsche Völker— 
schaften. Schon war derselbe tief ins Land gedrungen, als ein riesen— 
haftes Weib ihm drohend die Worte zurief: „Wohin noch strebst du, 
unersättlicher Drusus! Alle unsere Länder möchtest du sehen; aber das 
Schicksal will es nicht. Fliehe von dannen!“ Erschreckt wich Drusus 
zurück und fand bald den Tod. — Später wurde Varus als Statthalter 
an den Rhein geschickt. Er verlegte sein Hauptlager auf das rechte 
Rheinufer, brachte den Deutschen allerlei Geschenke und nahm ihrer viele 
in römische Kriegsdienste. Bald ward er dreister. Er verlegte sein Lager 
bis über die Weser ins Land der Cherusker und fing an, den Herrn zu 
spielen, römisches Gerichtswesen gewaltsam einzuführen und den freien
	        
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