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schreiben, welches er an die Bewohner der abgetretenen Provinzen erließ,
ist der Ausdruck königlicher Gefühle, welcher in dieser Form noch nie
vernommen worden war; es lautel also:
Ihr kennt, geliebte Bewohner treuer Provinzen, Gebiete und Städte,
Meine Gesinnung und die Begebenheiten des letzten Jahres. Meine
Waffen erlagen dem Unglück, die Anstrengungen des letzten Restes
Meiner Armee waren vergebens. Zurückgedrängt an die äußerste Grenze
des Reiches, und nachdem Mein mächtiger Bundesgenosse selbst sich zu
Waffenstillstand und Frieden genötigt fühlte, blieb Mir nichts übrig, al—
dem CLande Ruhe nach der Not des Urieges zu wünschen. Der Friede
mußte so, wie ihn die Umstände geboten, abgeschlossen werden. Er legte
Mir und Meinem Hause, er legte dem Cande selbst die schmerzlichsten
Opfer auf. Was Jahrhunderte und biedere Vorfahren, was Verträge,
was LCiebe und Vertrauen verbunden hatten, mußte getrennt werden.
Meine und der Meinigen Bemühungen waren fruchtlos. Das Schicksal
gebietet, der Vater scheidet von seinen Uindern. Ich entlasse Euch aller
Unterthanenpflicht gegen Mich und Mein Haus. Euer Andenken kann
kein Schicksal, keine Macht aus Meinem und der Meinigen Herzen
vertilgen.
Auf dieses väterliche, königliche Schreiben antwortelen die treuen
Markaner in plattdeutscher Mundart:
An König Friedrich Wilhelm, den Guten!
Das Herz wollte uns brechen, als wir Deinen Abschied lasen, und
wir können uns noch heute nicht überreden, daß wir aufhören sollen,
Deine treuen Unterthanen zu sein, die Dich immer so lieb hatten.
Wahrlich, es ist nicht Deine Schuld, daß Deine Generale und Minister
nach dem Unglück bei Jena zu betroffen und zu verblendet waren, um
die zerstreuten Scharen zu uns herzuführen und sie mit unsern Lands—
knechten vereint zu neuem Kampfe aufzurufen. Leib und Leben hätten
wir daran gewagt; denn Du mußt nicht zweifeln, daß in unsern Adern
das Blut der alten Cherusker noch feurig fließt, und daß wir noch
stolz darauf sind, Hermann und Wittekind unsere Candsleute zu nennen.
Wir hätten das Vaterland gerettet; denn unsere Candsknechte haben
Mark in den Knochen, ihre Seelen sind noch nicht angefressen, und über
unsere Weiber und Töchter hat der Zeitgeist seine Pestluft noch nicht
ausgegossen. Doch wir können dem Willen des Schicksals nicht ent
gehen. CLeb wohl, alter, guter Königl Gott gebe, daß der Überrest
Deines Landes Dich treuere Generale und klügere Minister finden lasse,
als die waren, die dich betrübten. Ihrem Rate mußtest Du zuweilen
wohl folgen; denn Du bist nicht allwissend. Können wir aufstehen
gegen des Schicksals eisernen Arm? Wir müssen alle mit männ—